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Unternehmen erklärt

Was Sie über Huawei wissen sollten

Vom Start-up zum Weltmarktriesen: Huawei legte einen unglaublichen Aufstieg hin
Vom Start-up zum Weltmarktriesen: Huawei legte einen unglaublichen Aufstieg hin Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Omar Marques
Natalie Wetzel, TECHBOOK
Werkstudentin

21.01.2024, 16:20 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

Huawei ist zweifellos eines der ganz großen Unternehmen in der Tech-Branche. Doch wissen Sie, wo Huawei überall tätig ist und welche Superlative das Erfolgsunternehmen aus China schon erreicht hat? TECHBOOK gibt den Überblick und kennt auch das ein oder andere kuriose Detail.

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„Unser Ziel ist es, jedem Menschen, jedem Haushalt und jeder Organisation die Digitalisierung zugänglich zu machen, um eine vollständig vernetzte, intelligente Welt zu schaffen.“ Mit diesem Statement macht Huawei vor allem eines klar: An Visionen mangelt es dem chinesischen Tech-Giganten nicht. Schließlich bedeutet Huawei so viel wie „chinesische Errungenschaft“. Was 1987 als kleines Start-up in Shenzhen begann, gehört heute zu den Weltmarktführern in Sachen Kommunikationstechnologie. Doch seit 2019 landete Huawei immer wieder in den internationalen Negativ-Schlagzeilen, Stichwort 5G-Netzausbau und US-amerikanische Wirtschaftssanktionen.

Weltberühmt und trotzdem falsch ausgesprochen

Huaweis Kerngeschäfte verteilen sich auf vier große Bereiche: Carrier Network, Enterprise, Consumer und Cloud & AI. Hinter diesen Schlagworten verbergen sich vor allem die Entwicklung und Produktion von Netzinfrastruktur und Netzwerkkomponenten. Dazu gehören xDSL, optische Netzwerke, Mobilfunktechnologien wie UMTS, GSM, GPRS, GSM-R oder WiMAX, aber auch WLAN Access Points, Server und Switches. Der Bereich Enterprise umfasst dagegen Cloud Computing und Rechenzentrumsmanagement. Die Consumer-Sparte beinhaltet mobile Endgeräte, allen voran Smartphones, aber auch Tablets, Laptops, USB-Surfsticks oder mobile WLAN-Router.

Doch trotz seiner breit gefächerten Tätigkeit und allgemeinen Bekanntheit wird Huawei in Deutschland kanonisch falsch ausgesprochen. Wer sich der chinesischen Betonung [xwǎˈwěɪ] einigermaßen annähern möchte, haucht den Unternehmensnamen „wha-wey“. Wobei das erste W weniger ein eigener Laut ist, sondern eher die Rundung des folgenden Vokals andeutet.

Vom kleinen Tech-Importeur zum Weltmarktführer

Mit damals 42 Jahren gründete Ren Zhengfei Huawei als An- und Verkaufsunternehmen von Telefonanlagen. 1987 war dafür ein günstiges Jahr. Die Infrastruktur von Chinas Telekommunikation hatte einen großen Entwicklungsbedarf, sodass die Regierung Start-ups und Modernisierungsmaßnahmen förderte. Gleichzeitig schirmte sie den Binnenmarkt gegen ausländische Konkurrenten ab. Dass Huaweis Gründungsort und heutiger Firmensitz in Shenzhen liegt, ist ebenfalls kein Zufall. Die Megametropole gegenüber von Hongkong gelegen ist eine Sonderwirtschaftszone und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Silicon Valley Chinas entwickelt. In Sachen Innovation, Start-up-Gründungen, Smart-City-Konzepten und autonomer E-Mobilität ist die Stadt Versuchslabor und Vorreiter in einem.

Huaweis Geschäft bestand zunächst darin, Telekom-Technik aus Hongkong – und damit indirekt aus dem westlichen Ausland – zu importieren und weiterzuverkaufen. Doch schon sehr früh stellte Ren Zhengfei die Weichen für die Zukunft des Unternehmens auf Innovation, indem er in die hauseigene Forschung investierte. Bereits drei Jahre nach der Gründung arbeiteten etwa 500 Mitarbeitende im Bereich Entwicklung. Das Ergebnis war das selbstentwickelte C&C08-Vermittlungssystem, das ab 1993 in vielen Städten und ländlichen Regionen installiert wurde. Spätestens als auch größere Metropolen diese Kommunikationstechnologie nutzten, entwickelte sich Huawei zu einer starken Größe auf dem chinesischen Markt.

Mitarbeitereigentum statt Börsengang

Vor der Gründung von Huawei arbeitete der 1944 geborene Ren Zhengfei als Militärtechnologe in der Volksbefreiungsarmee. Heute ist Ren Zhengfei ein reicher Mann. Laut Forbes betrug sein Privatvermögen 2020 rund 1,7 Milliarden US-Dollar. Obwohl er sich seinen Ruhestand also mit Leichtigkeit leisten könnte, ist er bis heute als Geschäftsführer von Huawei tätig. Allerdings ist er dabei einer von vielen, einer von 16 um genau zu sein. Ren Zhengfeis Vorrecht als Gründer besteht jedoch in einem Vetorecht bei allen Entscheidungen. 

Davon abgesehen unterscheidet sich Huawei von anderen internationalen Tech-Giganten durch eine gewisse Börsen-Scheuheit. Das Unternehmen gehört nämlich seinen Mitarbeitenden. Die Höhe der Aktien-Anteile hängt dabei von der Position und Zugehörigkeitsdauer der Angestellten ab. Pläne für einen Börsengang scheint es nicht zu geben. 

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Huawei erobert den Smartdevice-Markt

Die ersten Schritte ins Ausland unternahm Huawei um die Jahrtausendwende, indem es Forschungs- und Entwicklungszentren u.a. in Indien, Europa und den USA gründete. 2000 war Stockholm die erste Anlaufstelle in Europa und bereits 2005 überstiegen die Umsätze im Ausland die innerhalb Chinas. Heute sitzt Huaweis Europazentrale übrigens in Düsseldorf.

Während Huawei sich bisher als Ausstatter von Telekommunikationsnetzwerken und Netzwerkteilen verdient machte, stieg das Unternehmen 2003 ins Mobiltelefongeschäft ein. Ab 2009 verkaufte Huawei Android-Smartphones, die sich wegen des günstigen Preises und der leistungsfähigen Kameras schnell großer Beliebtheit erfreuten. Seit 2011 hat sich Huawei auch auf dem deutschen Smartphone-Markt etabliert.

Doch dabei blieb Huawei nicht stehen. Die Entwicklung von Smartwatches (2015), Notebooks (2016) und Tablets (2019) folgten. Auch passendes Zubehör wie Ladekabel und Kopfhörer liefert Huawei zu erschwinglichen Preisen und wurde so auch in Deutschland bekannt. Im April 2020 erzielte Huawei derart traumhafte Absatzzahlen, dass sich das Unternehmen noch vor Apple und Samsung an die Weltspitze der größten Smartphone-Produzenten setzte. Diesen Titel musste Huawei zwar bald wieder abgeben, gehört aber immer noch zu den Top-Smartphone-Herstellern.

Ebenfalls bekannt dürfte Huaweis Zweitmarke Honor sein, die 2013 gegründet wurde. Ursprünglich bediente Honor vor allem die unteren Preissegmente des Smartphone-Marktes. Über die Jahre erschloss sich Huawei aber auch den Mittelpreis- und Premiumbereich. Das breite Portfolio spiegelt einmal mehr Huaweis Anspruch wider, jedem Menschen die Digitalisierung nahezubringen. Allerdings gerieten Huawei und Honor im Rahmen des Handelskonflikts zwischen den USA und China stark unter Beschuss.

Immer wieder Vorwurf der Industriespionage

Grob umrissen lautet der Vorwurf, den nicht nur, aber vor allem die USA vortragen: Industrie-Spionage und Sabotage der Iran-Sanktionen. 2019 erhob das US-Justizministerium eine entsprechende Anklage und verwies dabei auf einen Vorfall vor einigen Jahren. Damals wurden zwei Huawei-Mitarbeiter der Spionage bei T-Mobile überführt, da sie den 5G-Forschungsstand des Konkurrenten ausspähten. Huawei verteidigte sich mit dem Hinweis auf das eigenmächtige Handeln der Individuen und zahlte fünf Millionen Dollar.

Unter der US-Präsidentschaft von Donald Trump landete Huawei auf der Entity List, der Handelsbeschränkungsliste des US-Handelsministeriums. 2019 traten Sanktionen in Kraft, die es u.a. US-amerikanischen Firmen verbieten, Technologien – z.B. Chips – an Huawei zu liefern. Außerdem dürfen Google-Dienste wie der Play Store, Google Maps und vor allem das Betriebssystem Android nicht auf Huawei- oder Honor-Smartphones vorinstalliert sein. Entwickler von Android ist Googles Tochterfirma Alphabet Inc..

Diese massiven Einschränkungen und die Ungewissheit, ob noch stärkere Sanktionen kommen werden, senkten die Attraktivität der Smartphones und anderen mobilen Endgeräte für Kunden gewaltig. Huawei entwickelte darauf hin zwar sein eigenes Betriebssystem Harmony OS und den App Store HMS Huawei Mobile Services. Dennoch verkaufte das Unternehmen 2020 seine Zweitmarke Honor schließlich an den chinesischen Konkurrenten Shenzhen Zhixin New Information Technology, wie TECHBOOK berichtete. Die Folge: Honor ist nicht länger von den US-Sanktionen betroffen.

Im Jahr 2021 erwirkten die US-Sanktionen zwar einen Umsatzverlust von 28,6 Prozent. Dennoch ging Huawei mit einem Rekordgewinn aus dem Pandemiejahr hervor. Das lag vor allem an dem 5G-Ausbau in China, der im selben Jahr beendet wurde. Auch mit Blick auf die Consumer-Sparte ist Huawei relativ robust im Nehmen, da viele Smartphones, Tablets und Co. innerhalb Chinas ihren Absatz finden, wo die Google-Dienste ohnehin kaum eine Rolle spielen. Nach eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen mittlerweile etwa 207.000 Mitarbeitende in über 170 Ländern und Regionen.

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Huaweis Einfluss in Deutschland

Doch Huawei ist nicht nur ein Riese unter den Smartphone-Herstellern. Das Unternehmen gehört neben dem schwedischen Ericsson und dem finnischen Nokia zu den größten Telekommunikations-Ausrüstern und spielt daher auch in Deutschland eine zentrale Rolle. Einerseits liefert Huawei Netzwerkteile für die großen Mobilfunkanbieter Telekom, Vodafone und Telefónica. Andererseits baut Huawei gemeinsam mit Siemens das Mobilfunknetz GSM-R der Deutschen Bahn aus, wie TECHBOOK berichtete. Vor allem aber ist das chinesische Unternehmen für 59 Prozent des deutschen 5G-Netzes verantwortlich.

In dieser strukturellen Abhängigkeit sieht das deutsche Innenministerium ein erhebliches Gefahrenpotenzial. Sollte Huawei – beispielsweise aus politischen Gründen – per „Kill Switch“ sämtliche 5G-Komponenten ausschalten, könnte das etliche Systeme und auch kritische Infrastruktur wie Energieversorger lahmlegen. Vor diesem Hintergrund wurde Huaweis weitere Beteiligung am 5G-Netz-Ausbau stark diskutiert.

Kooperation bei 5G-Ausbau stark umstritten

Neben der großen Marktmacht, die Deutschland auch politisch erpressbar machen könnte, ist die Spionagegefahr durch den chinesischen Großkonzern ein häufig genanntes Argument. Mit dieser Begründung schloss etwa Australien 2012 Huawei zunächst von seinem Breitbandnetz aus. Zwei Jahre später sah Taiwan aufgrund von Sicherheitsbedenken davon ab, die 4G-Komponenten von dem chinesischen Unternehmen zu kaufen. Auch in den USA und einigen anderen europäischen Ländern wird seit 2021 immer wieder die Sorge vor Industriespionage durch Huaweis Kommunikationstechnik laut. Einen Beweis für systematisches Ausspähen gibt es allerdings nicht.

Ebenso unklar ist, wie sehr Huawei als „Werkzeug“ der Kommunistischen Partei Chinas (KP) fungiert oder fungieren könnte. Grundsätzlich gibt es in China die Einteilung in staatliche und private Unternehmen sowie Mischformen. Da Huawei ein Privatunternehmen ist, gibt es keine direkten und offiziellen Verbindungen zur Kommunistischen Partei. Doch anders als bei Tencent und Alibaba ist Huawei nicht börsennotiert, sodass die Finanzierung für ausländische Beobachter kaum einsehbar ist. Diese Intransparenz bestärkt wiederum das Misstrauen westlicher Partner.

Huawei selbst weist sämtliche Vorwürfe zurück und betont die eigene Unabhängigkeit vom chinesischen Staat. Andererseits verpflichtet das chinesische Geheimdienstgesetz heimische Unternehmen, bestimmte Daten an die Regierung bzw. die Geheimdienste weiterzuleiten. Insgesamt gibt es zwar keine Beweise für systematische Spionage durch 5G-Komponenten. Dennoch muss man davon ausgehen, dass ein derart wichtiges Unternehmen wie Huawei durchaus Kontakte zur Partei pflegt. Ren Zhengfei sagt zu den Vorwürfen aber: „Wir würden Huawei lieber schließen, als irgendetwas zu tun, das den Interessen unserer Kunden schadet, nur um Gewinn daraus zu ziehen“

Ein politischer und wirtschaftlicher Kompromiss

Die deutsche Lösung für den 5G-Ausbau sieht vor, Huaweis Beteiligung nicht gänzlich zu verbieten, obwohl das durch das IT-Sicherheitsgesetz von 2021 durchaus möglich wäre. Stattdessen sollen chinesische Komponenten wohldosiert zum Einsatz kommen, vor allem im Zugangs- und Transportnetz. Etwa 25 Prozent der Funkmasten sollen beispielsweise mit Huawei-Komponenten bestückt werden bzw. dürfen es weiterhin bleiben. Allerdings könnte diese Regelung auch zum Austausch mancher Komponenten führen.

Verboten ist dagegen der Einsatz von chinesischen Bauteilen ab 2026 im Kernnetz, in Bereichen kritischer Infrastruktur und in sensiblen Regionen. Dazu gehören militärische Standorte ebenso wie der Raum Berlin, außerdem Bonn, wo ebenfalls Ministerien und wichtige Institutionen sitzen. Letztlich bleibt Deutschland wie viele andere Länder abhängig von Huawei, da Ericsson und Nokia weder in Sachen Qualität noch beim niedrigen Preis ernsthaft konkurrenzfähig sind.

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Europa-Sightseeing auf Huaweis Campus

Neben seiner Rolle als Marktgigant und kontroverse Schnittstelle zwischen China und dem Westen hat Huawei aber auch eine kuriose Seite. 2018 errichtete Huawei seinen Campus Ox Horn in Shenzhen mit Raum für 25.000 Mitarbeitende. Das allein ist schon ein Superlativ. Doch statt moderne Hochhäuser mit viel Glas stehen dort die Nachbauten von zwölf europäischen Sehenswürdigkeiten. Darunter sind das Heidelberger Schloss, aber auch Stadtimpressionen aus Bologna und Paris.

Doch auch in Sachen Forschung bemüht sich Huawei stetig um Zusammenarbeit mit Europa, etwa mit CERN (Europäische Organisation für Kernforschung) und dem deutschen Software-Unternehmen SAP. Auch mit Universitäten pflegt Huawei den Kontakt. So gibt es beispielsweise Kooperationen mit der RWTH Aachen, der TU München und der Frauenhofer-Gesellschaft.

Um die Akzeptanz in Europa wieder zu steigern, baut Huawei nun sein erstes Werk für Mobilfunk-Hardware außerhalb von China – und zwar in Frankreich. Außerdem will sich das Unternehmen noch weiter diversifizieren. Seit 2020 forscht Huawei verstärkt im Bereich E-Mobilität und kooperiert dafür u.a. mit dem Batterie-Hersteller CATL und dem Autobauer Chongqing Changan Automobile Company. Wenn der bisherige Werdegang Huaweis auch als Hinweis auf die Zukunft gelesen werden darf, dann ist noch Großes zu erwarten von dem Tech-Riesen aus China.

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