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Vom Gummistiefel- zum Smartphone-Hersteller

Die kuriose Geschichte von Nokia

Nokia altes und neues Logo nebeneinander auf Smartphone
Der Nokia-Konzern hat eine bewegte Geschichte hinter sich Foto: Getty Images

21.06.2023, 11:30 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Nokia ist ein großer Name in der Technik-Welt. Dabei liegen die Wurzeln des Unternehmens eigentlich in einem ganz anderen Bereich.

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Stellen Sie sich vor, Ihnen erzählt ein Freund von einer Firma, die zunächst eine Papierfabrik eröffnet. Anschließend Strom erzeugt und Kabel verkauft. Später Gummistiefel und Reifenmäntel für Rollstühle oder Fahrräder herstellt. Und dann entsteht aus diesen Basis-Geschäften eine Mobilfunkmarke mit Weltruhm. Klingt ziemlich unglaubwürdig, oder? Was sich anhört wie eine völlig wirre Hollywood-Geschichte, hat sich genauso abgespielt, nicht in Hollywood, sondern in Finnland. Das Unternehmen ist den meisten Menschen unter dem Namen Nokia bekannt. Wir erzählen die Geschichte vom Aufstieg und Fall von Nokia.

Vom Mischkonzern zum Stromerzeuger

Die spinnen die Finnen: Die schrägen Rockbands Lordi oder die Leningrad Cowboys haben dort ihre musikalischen Wurzeln. Schnaps und Eis aus Lakritz gelten im hohen Norden als Delikatesse. Daher kann die kuriose Geschichte von Nokia nur in diesem verrückten Land beginnen. Die Anfänge des Unternehmens gehen auf das Jahr 1865 zurück. Damals gründet der Ingenieur Frederik Idestam im finnischen Südwesten, in Tampere, eine Firma, die verschiedene Produkte aus Papier herstellt. Die Erzeugnisse finden großen Anklang im benachbarten Russland und in Großbritannien.

Da die Papier-Geschäfte so gut laufen, erweitert Frederik Idestam die Produktion schon bald und eröffnet eine zweite Fabrik in Nokia. Zusammen mit seinem Freund Leo Mechelin gründet der Ingenieur 1871 die Nokia Aktiebolag. So taucht der Name Nokia das erste Mal im Handelsregister auf. Die nächsten Jahre und Jahrzehnte sind geprägt von zahlreichen Firmenübernahmen. Das Unternehmen Nokia entwickelt sich im Laufe der Zeit zu einem Unternehmen, das Produkte für den täglichen Gebrauch herstellt.

Frühzeitig erkennt Leo Mechelin, inzwischen Nokia-Geschäftsführer, das Geschäftspotenzial im Bereich Stromerzeugung. Die Elektrifizierung macht weltweit riesige Fortschritte. Das Unternehmen beteiligt sich an dieser Entwicklung und versorgt die Menschen mit Strom und Kabeln.

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Nokia – auf Gummistiefeln Richtung Weltkonzern

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts vollzieht Nokia einen weiteren Richtungswechsel. Denn über eine Fähigkeit verfügt das finnische Unternehmen bis dahin geradezu meisterlich: Trends erkennen und diese gleich mit den passenden Produkten bedienen. Nun produziert das Unternehmen nicht nur den Gummimantel für Stromkabel, sondern außerdem noch Gummistiefel und Reifenmäntel für Rollstühle und Fahrräder. Auch das Geschäft mit Gummi entwickelte sich rasch zu einer Erfolgsgeschichte.

1967 folgt dann der entscheidende Schritt zum Technologieunternehmen. Damals schließen sich die Nokia Aktiebolag, die ehemalige Papierfabrik, die Suomen Gummitehdas, die finnischen Gummi-Werke und die Suomen Kaapelitehdas, die finnischen Kabelwerke, zu einem neuen Unternehmen zusammen. Aus Papier, Gummi und Kabeln wird die Nokia Corporation.

Das neue Unternehmen kauft nach und nach finnische Hersteller von Radios und Fernsehern auf. Die Unterhaltungselektronik rückt allerdings mit Beginn der 1980er-Jahre mehr und mehr in den Hintergrund. Dafür startete damals auch in Skandinavien der Aufbau von Mobilfunknetzen. Und Nokia mischt von Anfang an ganz vorn mit.

Bereits 1982 präsentiert Nokia ein erstes mobiles Autotelefon. Das Mobira Senator wog fast 10 Kilogramm und hatte mit digitalem Lifestyle ungefähr so viel zu tun, wie die Toten Hosen mit klassischer Musik.

Übrigens betrachtet Nokia damals den Mobilfunksektor als reine Spielerei. Noch glaubt das Unternehmen an den Ausbau im Bereich Unterhaltungselektronik. Allerdings beweist Nokia auch im Mobilfunkbereich sein Gespür für Entwicklungen. Die portablen Telefone von Nokia finden immer mehr Fans. So beginnt Anfang der 1990er-Jahre der Aufstieg zur weltweit bekanntesten Mobilfunkmarke.

Nokias Erfolg mit Mobiltelefonen

Auf der CeBIT 1996 präsentiert der Konzern ein Gerät namens „Nokia 9000 Communicator“. Im Grunde liefert das finnische Unternehmen damit einen Rohling des iPhones. Zumindest von der Idee her bringt das knapp 3000 Mark teure Gerät alles mit, wofür Menschen elf Jahre später das iPhone lieben werden. Mit dem Communicator bringt Nokia also das erste Büro im Taschenformat. Das Mobiltelefon kann aufgeklappt werden, verfügt über eine vollständige Tastatur und einen breiten Bildschirm. Mit wenigen Klicks öffnen sich ein Telefonbuch, ein Kalender oder eine Art Browser, um darüber im damaligen Neuland Internet unterwegs zu sein.

Nokia fokussiert sich dann allerdings auf klassische Mobiltelefone. 1998 steigen die Finnen zum weltgrößten Handyhersteller auf und verteidigen diese Position bis zum Jahr 2011. Das Nokia 3310 gilt bis heute als Prototyp eines klassischen Handys. Fans gaben dem handlichen Mobiltelefon den liebevollen Beinamen „Knochen“. Der Nokia-Liebling leistet jahrelang zuverlässige Dienste. Für heutige Smartphone-Besitzer fast unvorstellbar: Mit dem Gerät kann laut Hersteller bis zu 22 Stunden am Stück telefoniert werden. Und im Standby-Modus soll der Akku sogar einen ganzen Monat ohne Strom ausgekommen sein.

Nokia geht von 100 auf 0 …

Die Nokia-Erfolgsmeldungen in den 2000er-Jahren wollen kein Ende nehmen. Der Marktanteil des finnischen Unternehmens klettert phasenweise auf fast 40 Prozent. Allerdings verliert Nokia in dieser Phase des größten Erfolgs eine entscheidende Fähigkeit: Sein Gespür für Trends. Als im Jahr 2007 ein gewisser Steve Jobs von Apple das iPhone vorstellt, soll Nokia CEO Olli-Pekka Kallasvuo gemutmaßt haben: „Das iPhone ist nichts weiter als ein Nischenprodukt.“ Ein fataler Irrtum, wie wir heute wissen. Während Nokia weiter auf klassische Handys setzt, bedient Apple seine Kunden mit seinem Smartphone und läutet damit eine neue Ära in Sachen mobiler Kommunikation ein.

Der Abstieg von Nokia vom Weltmarktführer in die Bedeutungslosigkeit erfolgt rasant. 2011 vermeldet der einstige Mobilfunk-Star erstmalig rote Zahlen. Das Nokia Management versucht zwar noch, eigene Smartphones auf den Markt zu werfen. Die Geräte sind technisch allerdings meilenweit hinter der aktuellen Entwicklung zurück.

Bereits im Jahr 2013 verschwindet der Name Nokia endgültig von der Mobilfunk-Landkarte. Microsoft übernimmt den Bereich und versucht seinerseits das Windows Phone zu etablieren. Auch dieser Versuch scheitert.

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… und zurück

Der Markenname Nokia existiert dennoch weiter. Eine Gruppe, zu der auch viele ehemalige Mitarbeiter gehören, hat sich im Jahr 2016 zum Unternehmen HMD Global zusammengeschlossen und die Namensrechte übernommen. Seitdem agiert HMD gewissermaßen als Partner von Nokia. Ein wichtiges Thema sind dabei Patente für Lizenzen und Technologien. Das führt auch immer wieder zu Streitigkeiten mit anderen Firmen wie etwa Oppo und OnePlus.

Unter der Führung von HMD erscheinen sogar wieder Nokia-Smartphones. Dabei besinnt sich das Unternehmen auf alte Erfolgsgaranten und legt etwa auch einen besonderen Fokus auf die Kamera der Geräte.

Allerdings spielt diese Sparte im Gesamtkonzern eine eher untergeordnete Rolle. Stattdessen will Nokia die Zukunft dieses Mal nicht verschlafen und setzt viel auf zukunftsgewandte Technologien. Unter anderem entwickelt man Cloud-basierte Lösungen für den Kommunikationssektor und forscht gemeinsam mit Bosch an dem neuen 6G-Standard.

Themen #amex Evergreener Geschichte Nokia
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