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Nach verlorenem Patentstreit

Aktuellen Fritzboxen droht ein Verkaufsverbot 

Huawei und AVM befinden sich derzeit im Patentstreit
Huawei und AVM befinden sich derzeit im Patentstreit Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopress
Rita Deutschbein, Redaktionsleiterin TECHBOOK
Redaktionsleiterin

20.12.2023, 15:56 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Huawei hält als Netzausrüster mehrere wichtige Patente, auch einige zum WLAN-Standard. Diese sieht der chinesische Hersteller durch diverse Router-Hersteller wie AVM, Netgear und Stellantis verletzt und hat daher geklagt. Vor dem Landgericht München I unterlag AVM dabei in einem ersten Prozess.

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Patente sind dazu da, technologische Entwicklungen zu schützen. Bei essenziell wichtigen Patenten ist der Halter jedoch verpflichtet, diese zu fairen Bedingungen („FRAND“ – fair, angemessen und nicht diskriminierend) zur Verfügung zu stellen. Manchmal werden sich die verschiedenen Parteien aber nicht einig, weshalb es immer wieder zu Patentstreitigkeiten vor Gericht kommt. Dies ist auch im aktuellen Patentstreit zwischen Huawei und AVM der Fall, bei dem es um Patente für wichtige WLAN-Funkstandards geht, die in aktuellen Fritzboxen zum Einsatz kommen.

Darum geht es im Patentstreit zwischen Huawei und AVM

Der Patentstreit zwischen Huawei und AVM begann bereits im Frühjahr 2022. Am 10. November 2023 fällte das Landgericht München I ein erstes Urteil zugunsten von Huawei, das nun bekannt wurde. Verhandelt wurden zwei Klagen zu den Patenten EP3337077 (Aktenzeichen 21 O 2576/22) und EP3143741 (Aktenzeichen 7 O 2578/22). Die Klage zu Letzterem wurde abgewiesen, in der Verhandlung zum Patent EP3337077 siegte Huawei jedoch in erster Instanz.

Bei den Patenten handelt es sich um sogenannte standardessenzielle Patente, kurz SEP. Sie umfassen Standards, die beispielsweise in der Telekommunikation essenziell sind, da sie die Interoperabilität von Produkten ermöglichen. Die Klage um das Patent EP3143741, das sich auf ein System und Verfahren zur drahtlosen Kommunikation und Ressourcenzuweisung mit orthogonalem Frequenzmultiplexzugriff (OFDMA) bezieht, hat das Landgericht München I abgewiesen. Spannend wird es jedoch bei der Klage um das Patent EP3337077, das eine Kernfunktion in aktuellen WLAN-Netzwerken beschreibt.

WLAN-Basisstellen können dank OFDMA Daten gleichzeitig an mehrere Clients senden, es handelt sich somit um eine Alternative zu MU-MIMO (Multi-User MIMO). Das Patent beschreibt eine Technologie in Wi-Fi 6, bei der Signalisierungsfelder anzeigen, ob ein Datenpaket an einen oder mehrere Clients gehen soll.

AVM geht in Berufung

Im Verfahren um das Patent EP3337077 ist es AVM trotz Hinweisen auf Verfahrensfehler nach dem Patentgesetz § 145 und dem Hinweis auf vorangegangene Gespräche mit Huawei nicht gelungen, das Gericht von seinen Verhandlungsbemühungen um einen Lizenzvertrag zu überzeugen. Dementsprechend entschied das Landgericht München I in allen Punkten zugunsten von Huawei.

Rechtskräftig ist das Urteil allerdings bislang nicht. Anfang Dezember hat AVM Berufung beim Oberlandesgericht eingereicht (Aktenzeichen 6 U 4773/23 Kart.). Im neuen Prozess stützt sich der Router-Hersteller vor allem auf zwei Punkte. Er stellt zum einen infrage, ob das Huawei-Patent bei den Fritzboxen überhaupt zum Einsatz kommt, zum anderen hat er für das entsprechende Patent eine Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht eingereicht.

Auf TECHBOOK-Nachfrage verwies AVM auf folgende Stellungnahme:

Huawei hat im Frühjahr 2022 gegen mehrere Unternehmen, darunter Amazon, Stellantis und Netgear, Patentklagen eingereicht. Bei AVM geht es um standardessenzielle Patente (SEP) für WLAN. Eine Klage von Huawei gegen AVM wurde abgewiesen, bei einer zweiten Klage hat AVM gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. AVM sieht nicht, dass dieses SEP von Huawei bei gängigen WLAN-Produkten überhaupt zum Einsatz kommt. Das heißt, AVM geht nicht davon aus, dass dieses Patent verletzt wird.

Ein SEP ist kein „gewöhnliches“ Patent, sondern ein Patent, ohne das ein Standard nicht eingesetzt werden kann. Für SEP gelten daher bestimmte Regeln. Der Patentinhaber ist beispielsweise verpflichtet, seine Lizenzen zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien (fair, reasonable and non-discriminatory, FRAND) Bedingungen zu vergeben. Andernfalls könnte theoretisch jeder Inhaber eines SEP die Nutzung eines Standards wie z. B. WLAN weltweit verbieten lassen.

Das genannte Urteil vom LG München ist nicht rechtskräftig. Wir haben bereits Berufung eingelegt. Wie wackelig die Rechtslage und insbesondere die Rechtsbeständigkeit des Patentes ist, zeigt die Aussetzung des Verfahrens von Huawei gegen Netgear vor dem LG Düsseldorf, in dem es um dasselbe Patent ging. Zudem sagt das Bundespatentgericht in einem qualifizierten Hinweis, dass das Patent in seiner derzeitigen Form nichtig sein dürfte.

Lesen Sie auch: Was ist Wi-Fi 6 und brauche ich es jetzt schon?

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Mögliche Folgen für den Verkauf von Fritzboxen

Aufgrund des ausstehenden Berufungsverfahrens ist der Ausgang in dieser Sache noch komplett offen. Doch auch, wenn AVM in diesem erneut unterliegt, hat das für Fritzbox-Besitzer oder Besitzer anderer WLAN-Geräte von AVM keine Auswirkungen. Der Funktionsumfang oder Updates werden nicht eingeschränkt.

Hinsichtlich des Verkaufs neuer Geräte sieht die Sache allerdings anders aus. Sofern das Urteil rechtskräftig wird, dürfte AVM keine WLAN-Produkte wie Router, Repeater oder dergleichen mehr verkaufen, die auf die aktuellen Standards Wi-Fi-6, 6E (AX) oder 7 setzen. AVM äußerte sich dazu wie folgt: „Endkunden sind in der Regel nicht von Urteilen bei Patentfragen betroffen. Im konkreten Fall heißt das, ein Urteil, sollte es rechtskräftig werden, hätte für Endkunden keine Auswirkungen. Wie bereits oben beschrieben gehen wir aufgrund der genannten Umstände (erstinstanzlich, Bundespatentgericht, LG Düsseldorf) davon aus, dass das Urteil keinen Bestand hat.“

Themen AVM Fritzbox Huawei Recht WLAN
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