
9. Juni 2025, 8:53 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Die Geschichte des Fernsehapparates ist untrennbar mit der des Fernsehens per se verbunden. Dennoch sollte es rund 70 Jahre dauern, bis die bewegten Bilder eine solche Serienreife erlangten, um das Fernsehen zum Massenmedium des 20. Jahrhunderts zu machen. Gerade in Deutschland boomte die Produktion von TV-Geräten. Ein Boom, von dem in den 70er- bis 90er-Jahren etwa 80 selbstständige Markenunternehmen profitierten. Deutschland wurde zur Wiege der Fernsehgeräte-Produktion. Heute aber ist davon nichts mehr geblieben.
Frühling 1972: Die erste und bis heute einzige deutsche Sommer-Olympiade nach dem 2. Weltkrieg stand damals bevor. „München ´72“, mit Stars oder solchen, die es während der Spiele werden sollten, wie Hochspringerin Ulrike Meyfarth, Weitspringerin Heide Rosendahl oder Speerwerfer Klaus Wolfermann. Ein Mega-Event und Grund genug, nach einigem Zögern nun doch einen Fernseher anzuschaffen, wie der Vater des Autors dieser Zeilen befand. Und dieses Gerät war selbstverständlich ein Modell von Saba. „Selbstverständlich“, weil Saba-Geräte, gleichauf mit denen des Konkurrenten Grundig, als das Maß der Dinge galten. Zwar wurden Saba-Fernseher, -Radios und -Kassettenrekorder in der vermeintlichen Provinz, im idyllischen Schwarzwaldstädtchen Villingen gefertigt. Sie genossen aber dennoch den unbestrittenen Ruf, Premium-Qualität zu bieten.
Olympia und WM nur in Schwarzweiß – das kostete Saba viel Geld
So war der erste Fernseher im Leben des Autors ein mordsschwerer Kasten aus weißem Holzfurnier mit einem riesigen Metalltragebügel, den man auch zur Selbstverteidigung hätte einsetzen können. Die Bild-Diagonale von 27 Zoll (rund 70 cm) – heute sind doppelt oder gar dreimal so große Bildschirme eher die Norm, denn die Ausnahme –, war damals mehr oder weniger der Status Quo.
Ganz und gar nicht mehr dem Status Quo aber entsprach, dass der Saba-Fernseher ausschließlich in Schwarzweiß sendete. Ein Versäumnis, das der Hersteller nicht nur in Bezug auf Olympia, sondern vor allem auch wegen der 1974 ebenfalls in Deutschland ausgetragenen Fußball-Weltmeisterschaft, viel Geld kosten sollte. Schließlich war bereits am 25. August 1967 das Farbfernsehen in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt worden. In den USA wurden sogar schon seit 1951 einige Sendungen in Farbe ausgestrahlt. Allerdings machte der im Vergleich zu einem Schwarzweiß-Gerät deutlich höhere Anschaffungspreis den Farbfernseher damals noch zum längst nicht für jeden erschwinglichen Luxusartikel.
Zahl der Fernseher in deutschen Haushalten wächst rasant
Aber ob bereits Farbe oder doch noch Schwarzweiß – Anfang der 70er-Jahre war der Fernsehapparat längst nicht mehr wegzudenken aus deutschen Wohnzimmern. Waren 1952 hierzulande gerade einmal 300 private Fernsehanschlüsse zu verzeichnen gewesen (zum Vergleich: in den USA gab es damals bereits 15 Millionen Haushalte mit TV), so wuchs diese Zahl bis 1955 auf 100.000 Anschlüsse.
Weitere zwei Jahre später, 1957, wurde die Millionengrenze überschritten, 1964 waren es sieben und Anfang der 70er-Jahre gar 17,5 Millionen. Das bedeutete, dass nun in etwa 70 Prozent aller bundesrepublikanischen Haushalte in die Ferne geschaut werden konnte. Nach einem rund 90 Jahre währenden Reifeprozess war das Fernsehen und mit ihm der Fernsehapparat in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Begonnen hatte alles 1883 mit dem deutschen Erfinder Paul Nipkov. Nipkov war es gelungen, ein elektrisches Teleskop zu entwickeln, das mithilfe einer rotierenden, mit spiralförmig angeordneten Löchern versehenen Scheibe Bilder in Hell-Dunkel-Signale zu zerlegte und diese dann wieder zusammensetzte. Und nur wenige Zeit später, am 6. Januar 1884, meldete Nipkov das Gerät, das als Nipkov-Scheibe in die Geschichte der Elektronik eingehen sollte, zum Patent an.
Zwar hatte 40 Jahre zuvor bereits der schottische Uhrmacher und Erfinder Alexander Bain Überlegungen angestellt, um Bilder punkt- und zeilenweise abzutasten und die Helligkeitswerte elektrisch zu übertragen. Als Erfinder des Fernsehens aber gilt heute Nipkov, weil er es war, der die Theorie in die Praxis umgesetzt hatte. Eine Praxis, die nun auch der Standard werden sollte für die ersten Fernsehübertragungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
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Die Kathodenstrahlröhre als bahnbrechende Erfindung
Bereits 1897 hatten der deutsche Elektrotechniker und spätere Nobelpreisträger Ferdinand Braun und sein Landsmann Jonathan Zenneck die Kathodenstrahlröhre, auch bekannt als „Braunsche Röhre“, entwickelt. Dabei handelt es sich um ein elektrisches Bauelement mit Elektroden, die sich in einem gasgefüllten Kolben aus Glas, Stahl oder Keramik befinden.
Wird der Elektronenstrahl mittels magnetischer oder elektrischer Felder abgelenkt oder verändert, entsteht ein sichtbares Bild, sobald der Strahl auf eine an der Innenseite des Kolbens aufgetragene Leuchtstoffschicht trifft. Diese Erfindung würde sich schon bald als bahnbrechend erweisen. Bei ständiger Weiterentwicklung lieferte sie mehr als ein Jahrhundert lang, bis Ende der 1990er-Jahre, die Basis für die Darstellung von Fernsehbildern. Erst deutlich später würde der Flachbildfernseher, der auf Technologien wie LCD, LED oder Plasma setzt, den Röhrenfernseher ablösen, der mit seiner kastenartigen Form ungleich mehr Platz beanspruchte.
Einen ersten Meilenstein in Hinblick auf Bildübertragung setzte am 26. Januar 1926 in London der Schotte John Logie Baird. Baird hatte Nipkovs Scheibe weiterentwickelt und so den ersten mechanischen Fernseher erfunden. Dieser erlaubte es ihm an jenem Tag, die weltweit erste Fernsehvorführung zu veranstalten. Ein Jahr später schickte Baird ein Fernsehsignal zwischen Glasgow und London auf die Reise. Am 8. Februar 1928 gelang ihm gar die erste transatlantische Übertragung.
In den folgenden Jahren wurden die Erfindungen der Pioniere Nipkov und Baird von Tüftlern wie dem Japaner KenjiroTakayanagi oder dem Ungar Kalman Tihanyi stetig weiterentwickelt. Am 11. Mai 1928 war es schließlich Tihanyis Landsmann Denes von Mihaly, der mit einem von ihm entwickelten Empfangsgerät die erste deutsche TV-Übertragung realisierte.
Funktionierten all diese Übertragungsgeräte noch auf mechanischer Basis, so stellte der Deutsche Manfred von Ardenne auf der Funkausstellung 1931 in Berlin das erste vollelektronische Fernsehgerät mit Kathodenstrahlröhre vor. Und auch wenn der mechanische Fernseher noch nicht ausgedient hatte, begann mit dieser Weltpremiere der Siegeszug des vollelektronischen Fernsehens.
Erste Live-Übertragung zeigte Krönung der Queen
In den folgenden Jahren starteten u. a. England, Deutschland, die Niederlande und Frankreich erste regelmäßige Testsendungen. An ein TV-Programm, so wie wir es heute kennen, war wegen des 2. Weltkriegs allerdings noch nicht zu denken.
Erst Anfang der 50er-Jahre setzte schließlich die Entwicklung des Fernsehens zum Massenmedium ein. Vor allem in den USA explodierten nun die Zuschauerzahlen. Zählte man 1951 zehn Millionen Zuschauer, so stieg diese Zahl nur ein Jahr später bereits auf fünfzehn Millionen an (siehe oben). Dagegen nahmen sich die Zahlen in Europa noch bescheiden aus. Waren es in Großbritannien immerhin 600.000 Haushalte mit TV, so gab es in Frankreich gerade einmal 4000 und in Deutschland nur 300 Fernsehanschlüsse (siehe oben).
Aufzuhalten aber war der Siegeszug des Fernsehens dennoch nicht mehr. So verfolgten am 2. Juni 1953 allein in Großbritannien 27 Millionen Zuschauer die weltweit erste Live-Sendung, die die Krönung von Elisabeth II. zur Königin von England übertrug. Auch in Frankreich und Deutschland wurde jetzt live berichtet. Und 1961 startete, nach der zuvor eingeführten ARD, mit dem ZDF ein weiterer Sender.
Deutsche Fernseher-Industrie boomte
Längst hatte sich in Deutschland eine regelrechte TV-Industrie entwickelt. Annähernd 100.000 Menschen standen jetzt in der Fernseher-Produktion in Lohn und Brot. Nahezu 80 deutsche TV-Hersteller gab es in dieser Hoch-Zeit, in der etwa 1959 täglich 5000 Geräte verkauft wurden. Und Marken wie Saba, Grundig, Metz, Loewe, Nordmende, um nur einige zu nennen, gehörten jetzt zum weltweit Besten, was zu bekommen war.
Marktführer in Deutschland aber war in den späten 1950er-Jahren Telefunken. Die Marke stand für Zuverlässigkeit und gelungenes Design. Zudem zeichneten sich die Geräte durch, zumindest für damalige Verhältnisse, große Bildschirmdiagonalen aus, die typischerweise um die 20 Zoll lagen. Das allerdings hatte seinen Preis: Je nach Modell und Ausführung kostete ein solcher Telefunken-Fernseher zwischen 1000 und 2500 Mark. Wer sich in den Wirtschaftswunderjahren ein solches Gerät leisten wollte, musste dafür also mehrere Monatsgehälter hinlegen.
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Erst kamen die Japaner, dann die Südkoreaner
Ab Ende der 60er-Jahre drängten allerdings japanische Hersteller auf den deutschen Markt. Sony, Sharp, Toshiba oder Panasonic setzten jetzt der deutschen Konkurrenz mit technischen Innovationen zu. So kam der erste serienmäßig mit einer Fernbedienung ausgestattete Fernseher aus Japan. Zuvor waren Fernbedienungen bestenfalls separat erhältlich gewesen.
Und weitere fünfzehn Jahre später sollte sich die Konkurrenzdichte noch steigern. Mit LG und Samsung waren es nun südkoreanische Hersteller, die mit innovativer Technologie und hoher Bildqualität auftrumpften. Sie boten bereits Flachbildfernseher an, als der eine oder andere deutsche Hersteller noch auf Röhren-Geräte setzte.
Heute gehören LG und vor allem Samsung längst zur Crème de la Crème der TV-Hersteller und sind vom deutschen Markt nicht mehr wegzudenken. Erst kürzlich hat Samsung bekannt gegeben, dass man im Jahr 2024 bereits zum 19. Mal in Folge die Position als weltweit führender Anbieter von Fernsehern verteidigen konnte. So erreichte Samsung laut dem Marktforschungsunternehmen Omdia einen Marktanteil von 28,3 Prozent am globalen TV-Markt.
Hisense und TCL haben in Rekordzeit mit der Konkurrenz gleichgezogen
Dass es bei dieser Überlegenheit noch lange bleiben wird, darf zumindest infrage gestellt werden. Denn mittlerweile mischt mit China ein weiterer asiatischer Player mit im Kampf um die Marktanteile. Marken wie Hisense und TCL scheinen beinahe im Monatsrhythmus aufzuholen und haben 2024 den bisherigen Zweiten, LG, auf Platz vier zurückgedrängt.
Ein Wunder ist das nicht. Qualitativ stehen die Fernseher von Hisense und TCL den Konkurrenten aus Japan und Südkorea in nichts nach, unterbieten gleichzeitig aber die Preise der Konkurrenz deutlich. So sind TCL-Geräte mit gewaltigem 98-Zoll-Bildschirm bereits für etwas mehr als 2000 Euro zu bekommen. Ein Preisleistungsverhältnis, das TCL im Segment der Fernseher mit 98-Zoll-Bilddiagonale zum derzeit unbestrittenen Marktführer macht.

Was wurde eigentlich aus dem Tonbandgerät?

Was wurde aus dem Hersteller Metz?

Was wurde eigentlich aus dem TV-Hersteller Loewe?
Kaum ein deutscher Fernseher-Hersteller überlebt
Was aber wurde aus den deutschen Herstellern, die, wenn auch viele Jahre zuvor, den Markt bestimmt hatten? Tatsächlich sollte kaum einer der einst namhaften Hersteller überleben. Bestenfalls blieb meist nur noch der Markenname, von dem sich ausländische Hersteller einen „Made in Germany“-Kaufeffekt versprachen.
Heute gibt es nur noch drei deutsche Hersteller, die auch in Deutschland produzieren. Technisat, ein ursprünglich auf Satellitentechnik ausgerichtetes Unternehmen aus der Eifel, lässt bei Magdeburg produzieren. Metz konnte zwar nur mit fremder Hilfe überleben und gehört heute zum chinesischen Skyworth-Konzern, produziert aber ebenfalls nach wie vor in Deutschland. Loewe schließlich trotzte sogar einer Insolvenz und produziert seit 2020 wieder Geräte im Hochpreis-Segment. Mit dem französischen Fußball-Superstar Kylian Mbappé leistete man sich einen prominenten Markenbotschafter, der mittlerweile selbst Anteile an Loewe übernommen hat.
Und Saba, die Kindheitserinnerung in Schwarzweiß? Der Schwarzwälder Hersteller ging durch verschiedene Hände und gehörte ab 1980 zunächst zum französischen Thomson-Konzern. 2004 gründeten Thomson und TCL ein Joint-Venture, das unter dem Namen TTE firmierte. Es stellte zwischenzeitlich den drittgrößten Hersteller von TV-Geräten weltweit. Bereits im November 2006 aber war die deutsche Tochter, die TTE Germany GmbH (also Saba), zahlungsunfähig. Im Februar 2007 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Saba war damit endgültig Geschichte, auch wenn es noch bis 2016 dauern sollte, bis die einstige Erfolgsmarke endgültig aus dem Handelsregister gelöscht wurde.