11. Oktober 2024, 18:17 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Das weltweit erste serienmäßige Tonbandgerät oder Magnetophon, wie die elektrische Maschine zur Tonaufzeichnung zunächst genannt wurde, stammte 1935 aus dem Hause Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft, kurz AEG. Fast 40 Jahre lang sollte die Tonbandmaschine das unbestrittene Mittel der Wahl für die Aufnahme von Geräuschen, Musik und Sprache sein.
Genau genommen beginnt die Geschichte der elektrischen Tonaufzeichnung aber noch früher, in den späten Jahren des 19. Jahrhunderts. Bereits damals hatte der US-amerikanische Erfinder und Unternehmer Thomas Edison mit dem Phonograph ein Gerät zur Aufnahme und Wiedergabe von Schall mithilfe von Tonwalzen vorgestellt. Auf dieser Grundlage wiederum entwickelte der dänische Physiker und Erfinder Valdemar Poulsen das weltweit erste funktionsfähige Gerät zur Aufzeichnung und Wiedergabe von Schallwellen via elektromagnetischer Induktion.
Poulsen wollte seine Erfindung zunächst unter dem Namen Telephonograph – ein Kunstwort aus Telefon und Phonograph –, vermarkten. Da dieser Name aber bereits durch einen französischen Kollegen besetzt war, taufte er seine Erfindung schließlich auf den Namen Telegraphon.
AEG stellt das weltweit erste Tonbandgerät 1935 vor
Das aber, was man noch heute als Tonbandgerät versteht – ein elektrisches Aufnahme- und Wiedergabegerät für die analoge Tonaufzeichnung auf ein mit Eisen oder Chromoxid beschichtetes Kunststoffband –, erblickte das Licht der Welt 1935.
Auf der 12. Großen Deutschen Funkausstellung in Berlin präsentierte der deutsche Elektro-Konzern AEG der Öffentlichkeit mit dem Modell K1 die weltweit erste Tonbandmaschine. Zwei Spulen, links die Abwickelspule, rechts die Aufwickelspule und mittig darunter zwei Tonköpfe – das war die Blaupause für alle Tonbandgeräte, die in den folgenden Jahrzehnten auf den Markt kommen sollten. Die Website „Das Tonbandmuseum“ (tonbandmuseum.info), die die Entwicklungsgeschichte des Tonbandgeräts detailliert nachzeichnet, hält das AEG Magnetophon K 1 für „die mit Abstand herausragende, wichtigste technische Audio-Entwicklung des vergangenen Jahrhunderts“.
Zunächst waren die neuen Möglichkeiten, die das K1 und seine Nachfolger mitbrachten, dem Rundfunk und damit dem Profi-Bereich vorbehalten. Und unvermeidbar war wohl auch, dass während des 2. Weltkrieges die Nationalsozialisten Gebrauch von der neuen Technik machten. Als Mitte der 50er-Jahre aber „das deutsche Wirtschaftswunder“ seinen Lauf nahm, änderte sich die Situation.
Die deutschen Hersteller, wie AEG, Braun, Dual, Grundig, Körting, Loewe Opta, Metz, Nordmende oder Saba, verstanden sehr rasch, dass nun auch im Heimbereich gutes Geld zu verdienen sein würde. Die ständig weiterentwickelten (etwa Stereo-Aufnahme und/oder unterschiedliche Bandgeschwindigkeiten für längere Laufzeiten) und damit auch von privaten Anwendern zu beherrschbaren Maschinen lösten einen regelrechten Tonband-Boom aus. Dieser sollte bis in die frühen 1970er-Jahre anhalten.
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Anfang der 70er-Jahre steht es in jedem dritten deutschen Haushalt
Bereits 1965 gaben Grundig, Philips und Telefunken übereinstimmend an, dass kein anderer Fertigungszweig ein so starken Wachstum aufwies wie das Tonbandgerät-Segment. Das schrieben Friedrich Engel Gerhard Kuper, Frank Bell und Wulf Münzner in „Zeitschichten: Magnetbandtechnik als Kulturträger Erfinder-Biografien und Erfindungen.“ Längst waren auch japanische Hersteller, etwa Akai, Pioneer oder Technics, sowie die schweizer Anbieter Nagra und Revox in den Kampf um Marktanteile eingestiegen. Und „Test – die Zeitschrift für den Verbraucher“, wie sich das noch heute existierende Magazin von Stiftung Warentest damals nannte, wusste 1973 anlässlich eines Vergleichstests von Tonbandmaschinen gar zu berichten, dass es in jedem dritten deutschen Haushalt ein solches Gerät gab.
Eine gewisse Sonderstellung nahmen die Geräte des Schweizer Unternehmers Willi Studer sowie des Ungarn Edmond Uher ein. Studer produzierte seit 1948 Tonbandgeräte, Uher hatte bereits 1934 in München seine Firma Uher und Co. gegründet. Beide Firmen hatten sich als Spezialhersteller qualitativ hochwertiger Tonbandgeräte alsbald einen guten Ruf erworben. Ihre Markennamen, Revox und Uher, wurden sogar als Synonym für Tonbandgeräte per se genutzt.
Aber auf dem Höhepunkt der Tonband-Begeisterung Anfang der 1970er-Jahre deutete sich bereits der Niedergang an. Der neue Kassettenrekorder für Kompakt-Kassetten löste das Tonbandgerät als Mittel der Wahl für Tonaufzeichnungen ab. Er nahm weniger Platz ein, war einfacher zu bedienen und nicht zuletzt auch deutlich günstiger als ein Tonbandgerät.
Vor allem mit der Einführung des Radio(kassetten)rekorders, einem Rekorder mit Radioteil im selben Gehäuse, trafen die Hersteller ab Mitte der 70er-Jahre den Nerv der Jugend. Pop-Songs konnte man nun direkt vom Radio auf Kassette aufnehmen und sich so eigene Hitlisten zusammenstellen. Zudem wurde jetzt das entsprechende Werk eines Sängers, einer Sängerin oder einer Band nicht mehr nur auf Schallplatte, sondern parallel auch als Kauf-Musikkassette angeboten.
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Liebhaber und Experten halten das Tonbandgerät lebendig
Dass das Tonbandgerät heute dennoch nach wie vor bei Experten einen guten Ruf genießt, liegt nicht zuletzt an der Tonqualität. So feiert das Portal „Tonbandgerätewerkstatt“ das Tonbandgerät als „Meisterwerk der Feinmechanik“. Es könne heute noch „klanglich auch heute noch locker mit der modernen Technik konkurrieren“. Es sind eben diese Liebhaber und Experten, die ein enormes Fachwissen zusammengetragen und manche Geräte gar bis aufs letzte Schräubchen zerlegt haben.
Entsprechend bietet neben der „Tonbandgerätewerkstatt“ unter anderem auch der bereits 1957 gegründete „Ring der Tonband- und Videofreunde e.V.“ Generalüberholungen oder gar Restaurierungen und Reparaturen an.