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Japanischer Hersteller

Wer steckt eigentlich hinter der Marke JVC?

JVC Logo auf elektronischem Gerät
JVC hat die Elektronik-Branche geprägt Foto: Getty Images
Lars Lubienetzki
Freier Redakteur

24.04.2023, 16:28 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Es gibt diese Marken, die einfach jeder kennt und über die man doch nicht so wirklich viel weiß. JVC ist eine davon. Mit der Elektronik des japanischen Herstellers hatten bestimmt viele schon einmal Berührungspunkte, aber anders als bei Apple und Co. hat man nicht direkt ein Gesicht oder ein bestimmtes Bild vor Augen. Wer steckt also hinter der Marke JVC?

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Wenn JVC eine Art Steve Jobs gehabt hätte, dann wäre der Glamourfaktor der Marke heute möglicherweise etwas größer. Denn hinter den drei Buchstaben des japanischen Herstellers von Hi-Fi-Geräten, Fernsehern, Videogeräten oder Camcordern verbirgt sich eine fast 100-jährige Geschichte. Ohne das japanische Unternehmen gäbe es keine VHS und damit keinen weltweit einheitlichen Standard für Videogeräte. Samsung, Hitachi, Panasonic, Sony – diese asiatischen Elektronik-Giganten kennt heute fast jedes Kind. JVC müsste ebenfalls in dieser Liga mitspielen, bleibt allerdings aus ganz bestimmten Gründen ein stiller Gigant.

Die vornehme Zurückhaltung des Unternehmens lässt sich nicht einmal mit den asiatischen Wurzeln erklären. Denn hinter JVC steht eigentlich der US-amerikanische Hersteller von Grammophonen und Schellackplatten Victor Talking Machine Company.

Anfang der 1920er-Jahre sorgt der Name Victor weltweit für glänzende Augen. Das US-amerikanische Unternehmen gehört damals zu den Pionieren, wenn es darum geht, Tonaufzeichnungen hörbar zu machen. Um den Ruhm zu mehren, gründet Victor Standorte auf der ganzen Welt. So öffnet die Victor Company of Japan, Limited – oder kurz: JVC – im Jahr 1927 seine Pforten.

Als Victor-Tochtergesellschaft mit Sitz in Yokohama kümmert sich JVC ab den 1930er-Jahren um die Verbesserung von Schallplatten. Das notwendige Abspielgerät wird gleich mit produziert, der sogenannte Phonograph.

Die Firmen-Ehe zwischen den USA und Japan hält allerdings aufgrund historischer Entwicklungen nicht sehr lange. Der Zweite Weltkrieg beendet die Verbindung. JVC arbeitet während des Krieges und nach Kriegsende zunächst eigenständig.

Eine Übernahme als Startschuss für JVC

Ab den frühen 1950er-Jahren nimmt JVC die Produktion wieder auf. Inzwischen stellen die Japaner neben Phonographen und Schallplatten auch Radios, Lautsprecher und erste Fernsehgeräte her.

Im Jahr 1954 übernimmt der japanische Konkurrent Matsushita die Geschäfte von JVC. Zur Matsushita-Gruppe gehört auch die Marke Panasonic, die zur gleichen Zeit im Ausland als Export-Marke aufgebaut wird.

Nach der Übernahme von JVC macht Matsushita nicht den Fehler, sämtliche Geschäftsbereiche von JVC in ein vorgestanztes Muster zu pressen. Im Gegenteil: JVC bleibt als Markenname erhalten und behält alle Freiheiten, um eigene Entscheidungen zu treffen.

Die Entscheidung entwickelt sich für beide Unternehmen zum Vorteil. JVC spielt schon lange mit dem Gedanken, nicht nur Tonaufnahmen reproduzierbar zu machen, sondern Ton und Bild gleichzeitig abzuspielen. Die ersten Ideen für ein Videogerät reifen.

Matsushita hingegen konzentriert sich fortan mehr auf den Audio-Bereich, profitiert dabei allerdings von der Erfahrung der neuen Tochtermarke. Das erste gemeinsame Gerät ist im Jahr 1956 der erste Stereo-Schallplattenspieler, der den Markennamen JVC trägt.

JVC macht VHS zum Erfolg

Ab den 1960er-Jahren arbeitet das Entwicklungs-Team von JVC an einer technischen Möglichkeit, Bild und Ton aufzuzeichnen und die Aufnahme über ein Gerät auf dem Fernseher abzuspielen. An einem Heim-Videorekorder tüfteln damals viele Unternehmen. Es beginnt ein regelrechter Wettlauf.

Neben JVC befinden sich auch Philips, Sony und Grundig im Rennen. Im sogenannten Formatkrieg haben zunächst die Niederländer die Nase vorn. Philips präsentiert 1971 das VCR-Format, damals das erste kommerziell erfolgreiche Video-Format. Im Jahr 1975 legt Sony mit Betamax nach.

JVC beobachtet die gesamte Entwicklung und liefert ein Jahr später, im Jahr 1976, sein eigenes Format: VHS. Die Japaner sind zwar nicht die Ersten, haben allerdings mitbekommen, was die Konkurrenz alles falsch gemacht hat.

Deswegen hat JVC von Anfang an einen Plan, um das VHS-Format möglichst schnell und weltweit zu vermarkten. Zunächst einmal präsentiert JVC mit dem HR-3300 den ersten VHS-Videorekorder für den Heimgebrauch.

Viel entscheidender: JVC vergibt großzügig Lizenzen an andere Hersteller. Dadurch überschwemmen schon bald ganz viele VHS-Geräte den Markt, die technische Entwicklung schreitet voran und der Gerätepreis sinkt. Mit diesem Vorgehen schafft es JVC in wenigen Jahren VHS zu einem weltweiten Video-Standard aufzubauen und die Konkurrenz mit deren Formaten vom Markt zu verdrängen.

In den nächsten Jahren investiert JVC viel Energie in die Weiterentwicklung des VHS-Formats. Gleichzeitig entwickelt das japanische Elektronik-Unternehmen an weiteren Videogeräten für ambitionierte Hobbyfilmer.

Auch hier schafft es JVC heimlich, still und leise eine Marke zu setzen. Im Jahr 1995 präsentiert das Unternehmen den ersten digitalen Camcorder im Taschenformat. Danach wird es allerdings merklich ruhiger um JVC.

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Weiterverkauf und neues Kapitel

Der Markt für Unterhaltungselektronik lechzt mit Beginn des neuen Jahrtausends in immer kürzeren Abständen nach neuen Geräten. Ein Unternehmen wie JVC, welches immer viel Wert auf die Entwicklung gelegt hat, kann oder möchte das Tempo nicht mehr mitgehen.

Die strikte Trennung von Inlands- und Auslandsgeschäft erweist sich nun als Klotz am Bein. In Japan vertreibt JVC hochwertige Hi-Fi-Geräte unter der Marke Victor, dem ursprünglichen Gründungsnamen.

Im Ausland tragen die Produkte des Unternehmens den Markennamen JVC. Auch diese Geräte erfüllen höchste Ansprüche, erreichen allerdings nicht den hohen Standard der heimischen Geräte. Das rächt sich nun durch starke Umsatzeinbrüche auf den ausländischen Märkten.

Diese Entwicklung führt zur Trennung von Matsushita und JVC. Das Elektronik-Unternehmen Kenwood übernimmt die Firmenanteile. Im Jahr 2008 entsteht daraus die JVC Kenwood Holdings Inc., aus der drei Jahre später die JVCKENWOOD Corporation mit Sitz in Yokohama wird.

Auch wenn eine US-Firma Geburtshilfe geleistet hat, seine asiatischen Wurzeln hat JVC niemals verleugnet. Vielleicht hat das Unternehmen zu lange am zweigleisigen Vertriebsmodell festgehalten. In einer sich immer schneller drehenden Welt möglicherweise die falsche Strategie.

JVC ist allerdings immer noch da. Während andere Konkurrenten auf schnelle Umsätze spekuliert haben und dabei gescheitert sind, hat JVC stets viel Zeit in die Qualität seiner Produkte gesteckt. Damit hat das Unternehmen nie die Masse bedient, allerdings eine technikaffine Fangemeinde glücklich gemacht. Und für die ist und bleibt JVC ein stiller Gigant.

Themen: #zolar Geschichte
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