
29. Juni 2025, 15:53 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Es müssen nicht immer die großen Produktionen sein. Wir stellen vier Indiegames vor, die vergleichsweise wenig gekostet haben und trotzdem zeigen, wie gute und innovative Spiele auszusehen haben.
Bei Videospielen verhält es sich ein wenig wie im Kino. Es gibt einige ganz große Publisher wie Sony oder Nintendo, die unter ihrem Banner mehrere eigene Entwicklerstudios versammeln und deren Projekte für gewöhnlich mit hohen Budgets und technischer Brillanz auffallen. Daneben gibt es aber auch viele unabhängige Teams. Jene, die mit weit weniger Geld auskommen müssen und eigene Vertriebswege haben. Für gewöhnlich finden hier die großen Spektakel eher nicht statt – dafür geschieht spielerisch wie künstlerisch stets eine ganze Menge. TECHBOOK nennt deshalb vier Indiegames, die vielleicht nicht auf den ersten Blick sonderlich Eindruck schinden, aber bei genauerem Hinsehen umso gehaltvoller sind.
Cuphead
Während Sony, Microsoft, Bethesda oder Ubisoft stets versuchen, sich mit modernster Grafik gegenseitig zu übertrumpfen, ging man beim Studio MDHR den entgegengesetzten Weg. Und zwar in die 1930er-Jahre, um genau zu sein. Denn damals herrschte ein ganz spezifischer Animationsstil in Trickfilmen vor, den das Team für sein Indiegame „Cuphead“ authentisch und mit viel Handarbeit nachgestellt hat. Denn jeder Frame im Spiel wurde per Hand gezeichnet und teilweise auch modelliert.
Der Look ist herrlich nostalgisch und dazu kommt ein neu komponierter, aber ebenfalls altmodischer Jazz- und Ragtime-Soundtrack, der das bunte und vor allem chaotische Treiben perfekt untermalt. Denn in „Cuphead“ rennt und ballert man entweder durch einzelne Levels, fiese Hüpfpassagen inklusive. Oder man stellt sich einem der vielen Bosse, die mit fiesen Tricks und mehreren Phasen versuchen, für eine schnelle Niederlage zu sorgen.
Das ist sehr unterhaltsam anzuschauen – wäre es doch bloß nicht so herausfordernd. Wie gut, dass man „Cuphead“ auch zu zweit vor dem Bildschirm spielen kann. Und wer am Ende noch nicht genug hat, kann sich mit „The Delicious Last Course“ (oder kurz: „The DLC“) die Erweiterung zulegen, die mit neuen Einfällen und Levels daherkommt.
Lesen Sie auch: Indie-Highlight „Stray“ kommt auf die Nintendo Switch
Journey
Vielleicht möchte das der Laie noch gar nicht so richtig wahrhaben. Aber Videospiele sind Kunst, genau wie die anderen Erzählmedien auch. Basta. Die Designs, die Musik, die Geschichten – es gibt unzählige Titel, die all das auf gelungene Weise zu einem eindrucksvollen Werk verbinden. Ein Paradebeispiel dafür, dass das Medium auch auf einer abstrakteren und anspruchsvolleren Ebene überzeugen kann, ist das Indiegame „Journey“.
Als Spieler steuert man eine anonyme Figur, eingehüllt in einem weiten Gewand und einer Kapuze sowie mit einem magischen Schal, durch weite Felder und Wüsten. Je nach Schallänge kann man für kurze Zeit fliegen, neue Items sorgen für dessen Verlängerung. Doch was soll man in „Journey“ eigentlich machen? Zwar geht es um eine „Reise“, aber diese wird nicht konventionell erspielt und erzählt. Texte oder gar gesprochene Sprache gibt es keine, stattdessen ergibt sich alles nur aus Andeutungen in der Umgebung oder durch kryptische, wortkarge Zwischensequenzen.
Doch es ist auch nicht Sinn und Zweck des Indiegames, alles ins Detail zu erklären und auszubreiten. Der Spieler weiß lediglich, dass er einen Berg erreichen soll. Doch warum? Vieles bleibt im Dunkeln und wird nur angedeutet. Die Zurückhaltung ist aber eine künstlerische Stärke: In „Journey“ wird nichts ausgesprochen, sondern nur symbolisch gezeigt. Und wer gewillt ist, sich darauf einzulassen, erlebt die Reise nicht weniger als eine einzige Metapher für das Leben an sich und unsere irdische Reise, von der Geburt bis hin zum Tod.
Darüber hinaus gibt es Anspielungen auf eine längst vergessene Zivilisation, ihren Aufstieg und ihren Niedergang. „Journey“ drückt so viel mit so wenig aus und schafft es, mit nur wenigen Mitteln prägnante Aussagen über das Leben und Menschsein zu treffen. Dazu gehört auch der versteckte Online-Multiplayer: Besteht eine Internetverbindung, spült das Spiel einfach zufällig einen anderen Mitspieler in die eigene Sitzung. Bis auf wenige Signalgeräusche kann man nicht miteinander kommunizieren.
Und entweder man geht den Weg gemeinsam oder verabschiedet sich alsbald wieder. Wie im echten Leben, wenn neue Bekanntschaften ganz unverhofft eintreten und bleiben, während andere nur für bestimmte Lebensabschnitte vorbeischauen. Spielerisch ist all das ungemein minimalistisch gehalten. Und doch erfüllt „Journey“ das empfängliche Herz mit der simplen und doch tiefgreifenden Botschaft, was das Leben auf der Welt für uns bedeutet: Ob allein oder zu zweit, ist es nur flüchtig, aber trotz aller Widrigkeiten wunderschön.
Hellblade: Senua’s Sacrifice
Videospiele können Spieler in Situationen versetzen, die sonst unmöglich wären – etwa in Raumschiffe auf fremden Planeten oder in die Zombie-Apokalypse. Doch im Falle des nordischen Hack-and-Slay-Abenteuers „Hellblade: Senua’s Sacrifice“ kann man in etwa nachempfinden, womit viele Menschen auf der Welt tatsächlich leben müssen – Psychosen.
Die Macher von Ninja Theory stellten das Thema der mentalen Gesundheit in den Fokus ihrer Geschichte über das keltische Mädchen Senua, das sich im Indiegame auf den Weg in die Hölle macht, um ihrem getöteten Liebsten doch noch eine zweite Chance zu erkämpfen. Doch Senua hat nicht nur mit dem Trauma des Verlustes und mit fiesen Geschöpfen zu kämpfen, sondern auch mit ihrer eigenen seelischen Verfassung – und dazu gehört auch, dass sie ständig Stimmen im Kopf hört.
Stimmen der Unvernunft, Stimmen des Zweifels, gelegentlich Stimmen des Mutes und der Warnung. Und weil die Entwickler empfehlen, „Hellblade“ mit Kopfhörern zu spielen, hört man auch selbst diese Stimmen unentwegt – von links, von rechts, von scheinbar überall, als wären sie im eigenen Kopf. Was auf dem Papier nervig klingen mag, sorgt in Wahrheit für eine der immersivsten und intensivsten Erlebnisse der jüngeren Gaming-Geschichte und ist für permanente Gänsehaut zuständig.
Auch interessant: Die 5 besten Open-World-Spiele für ausgiebige Erkundungen
Es ist aber nicht nur ein rein narrativer Kniff. Tatsächlich greifen die Stimmen auch ins Spielgeschehen ein, wenn sie im Kampf zum Beispiel vor Attacken von hinten warnen. Dazu kommt eine düstere und stellenweise unheimliche Atmosphäre, die nichts für schwache Nerven ist und eine technische Umsetzung, die damals für Staunen sorgte – das hat ein (damals) unabhängiges Studio auf die Beine gestellt? Da macht es auch nichts, dass „Hellblade“ mit circa 6-7 Stunden Spielzeit eigentlich recht kurz ist. Doch jede Minute lohnt sich. Übrigens gibt es eine Fortsetzung für Xbox Series X/S und demnächst auch PS5.

„Hellblade 2“ – ein wuchtiger Spiele-Trip voller Intensität

5 der besten Story-Spiele für spannende Stunden

Die schönsten Gaming-Soundtracks, die man kennen sollte
This War of Mine
Action gibt es in Videospielen zuhauf, darunter auch militärisch geprägte Ballerspiele wie etwa „Battlefield“, „Counter-Strike“ oder „Call of Duty“. Diese machen grundsätzlich viel Spaß, aber natürlich geht es hier zumeist um stilistisch überhöhten Eskapismus und nicht etwa um eine differenzierte oder gar kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg. Nicht so jedoch bei dem Indiegame „This War of Mine“. Das Management-Spiel darf man getrost als Antikriegsspiel bezeichnen.
Darin steuert und verwaltet man nicht etwa muskelbepackte Supersoldaten, sondern Zivilisten in einer echten Kriegen nachempfundenen Konfliktzone. In einem Haus hat man sich verschanzt und muss mit den knappen Ressourcen haushalten, Gegenstände reparieren und andere zum Laufen bringen, um das Überleben zu sichern. Bei nächtlichen Streifzügen nach Lebensmitteln und Materialien wird es gefährlich, denn bewaffnete Wachen sind überall und haben den Finger schnell am Abzug.
Der Grafikstil und die allgemeine Stimmung sind nüchtern gehalten. Und nicht nur geht es ums physische Wohl der Protagonisten, sondern auch ums seelische. Nicht selten sind sie so traurig und niedergeschlagen, dass sie nicht dazu zu bringen sind, Aufgaben zu übernehmen. Dann wird es zur zusätzlichen Herausforderung, die Figuren wieder aus dem Tief herauszuholen. Ab und an greift auch der Zufall und man wird nachts überfallen – dann steht man am nächsten Tag mit weniger Ressourcen da.
Lesen Sie auch: Die 4 besten Strategie-Spiele für komplexe Schlachten
Ziel des Indiegames ist es, möglichst viele Personen das Ende des Krieges erleben zu lassen und das ist nicht einfach. Der Kampf ums Überleben wird dabei realistisch geschildert, dreckig, traurig und unglamourös. „This War of Mine“ ist ein bedrückendes Spiel, das nicht wirklich Spaß macht, jedoch mit den Mitteln des Videospiels einen Eindruck davon vermittelt, wie schwierig es die Zivilbevölkerung im Krieg hat. Das ist weniger unterhaltsam, aber nachhaltig eindrücklich – und heute leider relevanter denn je und ein Beispiel dafür, was das Medium der Videospiele zu vermitteln mag.