17.03.2024, 16:57 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Mit EPI soll bald ein neuer Bezahldienst nebst eigener App an den Start gehen. TECHBOOK gibt den Überblick, was die europäische Alternative zu PayPal, Visa und Co. zu bieten hat.
Wer sich bei einem Online-Händler an die virtuelle Kasse stellt, hat oft gleich ein ganzes Dutzend an Zahlungsmöglichkeiten zur Wahl. Ob per Kreditkarte, auf Rechnung, via Klarna, Amazon Pay, Apple Pay, Google Pay – die Auswahl ist riesig. An der Supermarktkasse kann in der Regel mit Kredit-, Debit- oder Girokarte zahlen, egal ob in physischer oder digitaler Form. Schuldet man Freunden Geld, kann man die Rechnung per PayPal-Sofortüberweisung begleichen. Und ach ja, Bargeld gibt es auch noch. Bald könnte sich ein weiterer Bezahldienst zu dieser langen Liste hinzugesellen: EPI und die dazugehörige App Wero.
Eine europäische Idee, umgesetzt in drei Ländern
EPI steht für European Payments Initiative und verrät damit gleich zwei Besonderheiten des neuen Bezahldienstes. Anders als viel genutzte US-amerikanische Anbieter wie PayPal oder Visa ist EPI ein europäisches Projekt. Und statt nur ein weiterer Dienstleister auf dem Markt zu sein, besteht EPI aus 16 europäischen Banken und Finanzdienstleistern. Gemeinsam wollen sie einen neuen europäischen Standard im Zahlungsverkehr setzen. Ein besonderer Fokus liegt auf der angestrebten Einheitlichkeit.
Seit 2020 arbeitet die EPI Interim Company SE an diesem ehrgeizigen Projekt und musste seitdem einige Rückschläge einstecken. Von den 31 Banken und zwei Zahlungsdienstleistern, die sich ursprünglich zusammengeschlossen hatten, sind nur noch 16 übrig geblieben. Zu teuer sei die Investition, nicht überzeugend genug das Ziel. Neben einigen kleineren spanischen Kreditinstituten gehört die Commerzbank zu jenen, die sich verabschiedet haben. Mittlerweile setzt sich EPI vor allem aus deutschen, französischen und belgischen Banken zusammen. Dazu gehören unter anderem die französische BNP Paribas und Société Générale, die niederländische ABN Amro und ING und die Deutsche Sparkasse (DSGV) sowie die DZ Bank, die zur Volksbank Raiffeisenbanken gehört.
Nachdem sich der für 2023 angekündigte Start etwas nach hinten verschoben hatte, kündigte Joachim Schmalzl, Vorsitzender des EPI-Verwaltungsrates und Vorstandsmitglied des DSGV an: „Wir werden die Handy-zu-Handy-Zahlungen im Juni breit nach außen geben mit einem Aufschlag in Deutschland, Belgien und Frankreich und im nächsten Jahr kommt dann das volle Programm.“ Die Niederlande sollen als nächstes Land folgen.
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Neuer Dienst, neue App
Das besagte „ganze Programm“ soll perspektivische die verschiedenen Zahlungsmöglichkeiten unter einem Dienstleister vereinen: physische wie digitale Kartenzahlungen, (Sofort-)Überweisungen, Buy-now-pay-later und mobiles Bezahlen per App sollen über EPI möglich sein. Damit tritt die Bankeninitiative zu nahezu allen anderen Bezahldienstleistern wie PayPal und Visa in Konkurrenz. Einerseits soll Europa damit eine größere Unabhängigkeit von US-amerikanischen Anbietern gewinnen. Andererseits will EPI eine international einheitliche Alternative zu den verschiedenen nationalen Bezahlsystemen – wie etwa der Girocard in Deutschland – anbieten.
Zentral für die Umsetzung soll die App Wero werden, die dann als eine Art Wallet mit Zusatzfunktionen fungiert. Doch, Vorsicht! EPIs Wero ist nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen – und im Playstore schon verfügbaren – App von Wero GmbH & KG. Hierbei handelt es sich um einen Online-Großhändler für Erste-Hilfe-Ausrüstungen, Arbeitsschutz-Equipment und Hygieneausstattungen. Diese Namensdopplung erscheint etwas unglücklich, doch bei der EPI hat man sich durchaus umfassend Gedanken gemacht:
„Die Wahl des Namens Wero war ein sorgfältiger Prozess, der umfangreiche Untersuchungen sowie quantitatives und qualitatives Feedback von Verbrauchern umfasste“, heißt es auf der Website. ‚We‘, englisch für ‚wir‘, soll das europäische Kollektiv betonen, während ‚ero‘ auf die Währung verweist. „Und schließlich ist Wero nahe an ‚vero‘, was in den romanischen Sprachen ‚wahr‘ bedeutet.“ Ob Wero aber wirklich das Wahre ist, wird sich ab Mitte des Jahres zeigen. Dass die App wohl nicht mit dem vollen Funktionsumfang auf den Markt kommen wird, dürfte den Start bereits erschweren.
Laut eigener Aussage plant die EPI, dass Wero grundsätzlich nicht nur Transaktionen ermöglicht, sondern auch digitale Identitätsüberprüfung (e-ID) und Payback-Programme beinhaltet. Darüber hinaus verspricht sich die EPI eine noch größere Verbreitung des bargeldlosen Bezahlens. Ob Deutschland da das beste Pflaster für die ersten Gehversuche ist? Zumindest ein erster Praxistest in Form einer Sofortüberweisung per App von einem Sparkassen-Konto auf ein Konto der französischen Banque Populaire war erfolgreich.
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Braucht Europa EPI wirklich?
Damit EPI wirklich eine paneuropäische Lösung ist, muss der Dienst mittelfristig mindestens in allen EU-Mitgliedsstaaten verfügbar sein. Das dürfte noch ein weiter Weg sein. Und selbst dann ist die Frage, ob EPI für die Endkunden genug Anreize bietet, um Visa, PayPal und Co. den Rücken zuzukehren. Wer beispielsweise hin und wieder im außereuropäischen Ausland unterwegs ist, wird auf die Vorteile einer Visa Card nicht verzichten wollen. Und selbst wenn Online-Händler EPI in ihre Bezahl-Standards aufnehmen, bleibt EPI für die Kunden ein Dienst von vielen.
Auch Commerzbank-Vorstand Thomas Schaufler gibt sich nicht überzeugt: „Als Verbraucher sehe ich persönlich keinen Bedarf für ein neues Bezahlsystem. Ich habe noch nicht erkannt, welches Problem EPI lösen soll: Die bestehenden Bezahlsysteme funktionieren doch.“ Sicherlich kann ein weiterer Bezahldienst den Wettbewerb fördern und womöglich wird Europa eine größere Unabhängigkeit von ausländischen Anbietern eines Tages zunutze kommen. Aktuell jedoch muss sich EPI mit seiner App Wero den Kunden gegenüber erst noch behaupten.