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Windows Longhorn – das Betriebssystem, das es nie gab

Ein Phänomen Anfang der 2000er: Frühe Versionen von Longhorn wurden von Software-Piraten auf dem Schwarzmarkt verkauft – lange bevor von Vista überhaupt die Rede war.
Ein Phänomen Anfang der 2000er: Frühe Versionen von Longhorn wurden von Software-Piraten auf dem Schwarzmarkt verkauft – lange bevor von Vista überhaupt die Rede war. Foto: picture-alliance / dpa | Ahmad_Yusni
Lars Lubienetzki
Freier Redakteur

17. Mai 2025, 7:39 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

In der inzwischen 40-jährigen Geschichte des Betriebssystems Windows von Microsoft gibt es eine Menge Höhepunkte, allerdings auch einige schwache Perioden. Windows XP entwickelte sich zu Beginn der 2000er-Jahre zu einem großen Erfolg. Darauf aufbauend hatte Microsoft-Gründer Bill Gates die Idee, etwas noch Größeres zu erschaffen: Windows Longhorn – ein Windows, wie es die Welt bis dahin noch nicht gesehen hat – und auch nie sehen würde. Denn das Projekt Longhorn ist ein Lehrstück des Scheiterns aufgrund viel zu hoher Ambitionen.

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Kurz nach der Veröffentlichung von Windows XP begann Microsoft mit der Arbeit an einem Nachfolger. Zunächst als inkrementelles Update geplant lief die Entwicklung von Longhorn völlig aus dem Ruder. Ein Blick auf die faszinierende Geschichte des Betriebssystems, das es nie gab.

Longhorn soll Windows zukunftsfit machen

Schon kurz vor der Veröffentlichung von Windows XP im Jahr 2001 bildet sich Microsoft-intern ein Longhorn-Team. Zu dem gehört auch David Plummer. Über seinen YouTube-Kanal „Dave’s Garage“ hat er nun Einblicke in die Entwicklung des Super-Windows mit dem Namen Longhorn gegeben.

Am Anfang gibt es einige wenige zentrale Ideen, um Windows ein völlig neues Gesicht zu verpassen. Zu den Kernprojekten gehört von Anfang an die Entwicklung eines sogenannten Windows Future Storage (WinFS). Dabei handelt es sich um ein Datenbanksystem, das die Suche nach Dateien deutlich verbessern und beschleunigen sollte.

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Seit Windows XP hat sich viel geändert – u. a. dank Longhorn

Kleiner Rückblick: Damals ließen sich Dokumente, Programme oder andere Dateien nur über den Namen auffinden. Es gab auch keine Möglichkeit, Dateien mit Schlagworten oder anderen Suchparametern zu taggen. Nur Ordner konnten zum Sortieren von zusammenhängenden Dateien angelegt werden.

Jetzt werden Sie sich fragen: Moment, das ist doch heute vielfach immer noch so. Stimmt. Nur helfen inzwischen KI und Suchindizes, den verlorenen Inhalt auf dem Rechner möglichst schnell wiederzufinden.

Ein zweites großes Projekt betraf die Überarbeitung der gesamten Benutzeroberfläche von Windows. Microsoft selbst fand das Aussehen des eigenen Betriebssystems inzwischen etwas altbacken. Neuer Glanz musste her. Die Idee: Sämtliche Oberflächen sollten luftiger und transparenter erscheinen, eine Art Glaseffekt schwebte den Entwicklern vor.

Jahrelange Entwicklung ohne Erfolg

Doch allein diese zwei Projekte lassen das Windows-Longhorn-Team um David Plummer verzweifeln. Die ersten Tests auf den leistungsfähigsten Rechnern der damaligen Zeit zwingen die Maschinen in die Knie. Immer wieder kommt es zu Abstürzen, Programmcodes müssen neu geschrieben werden, und am Ende steht wieder ein Bluescreen.

Dieses ganze Hin und Her zieht sich über mehrere Jahre. Die Wunschliste mit neuen Windows-Features, die an das Longhorn-Entwicklungsteam herangetragen wird, wächst und wächst.

Letztlich bilden sich innerhalb des Teams zwei Fronten: Die eine Seite möchte möglichst viele herausragende Features. Die andere Seite wünscht sich ein stabil laufendes Betriebssystem. Im Jahr 2004 wächst schließlich die Erkenntnis: Beides scheint unter den gegebenen technischen Möglichkeiten nicht realisierbar zu sein.

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Zurück auf null

Deswegen zieht Microsoft die Reißleine. Windows Longhorn in der vorliegenden Form wird komplett verworfen. Sämtliche Entwicklungen landen komplett im digitalen Mülleimer. David Plummer und sein Team müssen ganz von vorne beginnen.

Von einer anderen Flanke droht zusätzliches Ungemach für die Microsoft-Entwickler: Bill Gates gehört zum Team stabil laufendes Betriebssystem. Er ordnet an, parallel zur Weiterentwicklung einer neuen Windows-Version, das in die Jahre gekommene Erfolgsmodell XP mit dem Service Pack 2 sicherer zu machen. Für diese Aufgabe werden Mitarbeiter aus dem Longhorn-Team abgezogen.

Nun dämmert es David Plummer: Das Projekt Windows Longhorn ist gestorben. Tatsächlich geht es in der Entwicklung nur noch darum, innerhalb kürzester Zeit ein neues Windows auf den Markt zu werfen. Unter den gegebenen Voraussetzungen reicht es dann nur für Windows Vista.

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Windows Vista: eine Art Longhorn Light

Das veröffentlicht Microsoft Anfang 2007. Aufgrund der gescheiterten Entwicklung konnte Vista nur floppen. Dennoch finden sich tatsächlich einige Longhorn-Features in Vista wieder. Am deutlichsten sichtbar: die neue transparente Benutzeroberfläche Windows Aero. Die frisst Unmengen an Arbeitsspeicher. Das wussten David Plummer und das gesamte Longhorn-Entwicklungsteams selbstverständlich, konnten allerdings in der Kürze der Zeit keine Verbesserung erzielen.

Immerhin erhielt Windows Vista eine neue Suchfunktion, zwar nicht das geplante WinFS, sondern einen neuartigen Suchindex. Seitdem findet Windows datei- und formatübergreifend relevante Inhalte und das häufig in wenigen Sekunden.

Die großen Ambitionen, die mit der Entwicklung von Windows Longhorn verknüpft wurden, sind zwar krachend gescheitert. Dennoch hat Microsoft aus diesem Scheitern seine Lektion für die Zukunft gelernt, nämlich bei der Überarbeitung des eigenen Betriebssystems nicht zu viele Baustellen auf einmal zu eröffnen.

Themen Windows

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