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TECHBOOK-Redakteur nach Apple-Event

„Beim neuen MacBook bin ich erstmal skeptisch!“

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Adrian Mühlroth
Redakteur

12.11.2020, 12:55 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

Apple hat auf dem November-Event drei neue Macs vorgestellt. Das Besondere: Darin ist ein brandneuer Chip zu finden, den das Unternehmen selbst entwickelt hat.

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Bereits auf der Wordwide Developers Conference (WWDC) hatte Apple es angekündigt, nun ist es Wirklichkeit. Das Unternehmen kapselt sich vom bisherigen Chip-Lieferanten Intel ab und fängt an, seine Macs mit eigenen Chips auszustatten.

Wer sich Adrians Argumentation im Video ansehen möchte, findet hier das Gespräch zwischen Kollegin Rita Deutschbein und ihm:

Anderenfalls geht es hier weiter mit der News….

Apple stellt den ersten eigenen Laptop-Chip vor

Am 10. November hat Apple drei neue Macs vorgestellt: MacBook Air, MacBook Pro 13″ und Mac Mini. Allen Geräten gemeinsam ist der neue M1 – ein Chip, der komplett von Apple entwickelt wurde.

Im Gegensatz zu Intel-Prozessoren, die bislang in Macs zum Einsatz kamen, basiert der M1 auf der ARM-Architektur. Der Hersteller ARM lizenziert seine Architektur an andere Unternehmen, die ihre eigenen Chip-Designs damit erstellen können. Apple macht das nun bereits schon seit zehn Jahren. 2010 hat das Unternehmen den ARM-basierten A4 im iPad der 1. Generation vorgestellt – der erste selbst-entwickelte Chip.

Intel ist seit einiger Zeit in einer schwierigen Phase, in der das Unternehmen nur langsam Fortschritte macht. Seit etwa vier Jahren gelingt es Intel nicht, auf einen moderneren Fertigungsprozess umzusteigen. Die Prozessoren des Herstellers leiden deshalb unter schlechter Energieeffizienz und damit wenig Akkulaufzeit. Apple ist als einer der Hauptabnehmer der Prozessor von deren Limitierungen besonders betroffen. Diese Abhängigkeit will das Unternehmen mit seinen eigenen Chips nun beenden.

Der Apple M1 im Detail

Der M1 ist erstmals ein System-on-a-Chip (SoC) in einem Mac. Bisher waren verschiedene Komponenten auf dem Mainboard verteilt. Intel-Prozessor, Speichercontroller und Speicher selbst waren einzelne Chips. Der M1 integriert alle diese Komponenten in einem Chip mit geteilten Ressourcen. Apple nennt das „Unified Memory Architecture“. Das bedeutet, dass alle Komponenten direkt miteinander kommunizieren und auf die gleichen Speicherressourcen zugreifen. Dadurch kann der M1 deutlich energieeffizienter als bisher arbeiten.

Die tiefere Chip-Integration bedeutet aber auch, dass RAM nicht mehr im Nachhinein aufstockbar ist. Wer 8 GB kauft, bleibt auf 8 GB sitzen – selbst, wer viel im Internet surft, sollte sich also gut Gedanken machen, ob das noch genug ist. Gerade für den Mac Mini ist die fehlende Aufrüstmöglichkeit des Arbeitsspeichers eine Enttäuschung. Immerhin ist der Einsteiger-Mac nun aber 100 Euro günstiger.

Die Unified Memory Architecture im Apple M1
Die Unified Memory Architecture im Apple M1 Foto: Apple / Screenshot

Die CPU des M1 besteht aus acht Kernen, vier davon leistungsoptimiert und vier besonders energiesparend. Eine vergleichbare Anordnung kennen wir bereits aus dem A12Z Bionic aus dem iPad Pro 2020. Die GPU hat ebenfalls 8 Kerne.

Mehr Leistung und weniger Stromverbrauch?

Doch ein derart großer Umschwenk stellt das Unternehmen vor eine große Herausforderung. Es muss beweisen, dass sein „Silicon“ (Apple nennt sein neues Produkt „Apple Silicon“, also Silizium) mit den bisherigen Intel-Prozessoren mithalten oder sie sogar übertreffen kann.

Was Apple aber im Endeffekt auf dem November-Event ablieferte, hat weder Hand noch Fuß. Das Unternehmen schmiss mit Zahlen um sich, wie viel besser und effizienter der M1 sein soll. „3x“ mehr, „6x“ mehr, „schneller als 98 Prozent aller PC-Laptops“ – doch was steckt hinter diesen Zahlen?

Das MacBook Air soll „schneller als 98 Prozent der PC-Laptops“ sein
Das MacBook Air soll „schneller als 98 Prozent der PC-Laptops“ sein Foto: Apple / Screenshot

Das, was Apple in den Vorstellungen zeigt, hat in den meisten Fällen eine solide Grundlage. Aber das Unternehmen gibt sich sehr verschwiegen, woraus sich die Zahlen zusammensetzen. Bis jetzt haben wir nur Behauptungen, die Apple auf dem Event geliefert hat.

Das MacBook Air soll 3,5-mal mehr Prozessorleistung und 5-mal mehr Grafikleistung als sein erst sechs Monate älterer Vorgänger liefern. Doch welches MacBook Air nimmt Apple als Grundlage für seine Behauptungen? 3,5-mal mehr Leistung als das Basismodell mit Intel-i3-Dual-Core-Prozessor? Oder als das deutlich stärkere Modell mit i5-Vierkerner?

Beim MacBook Pro spricht Apple von 2,8-mal mehr CPU-Leistung und ebenfalls 5-mal Grafik-Leistung. Auch Beim Pro-Modell ist unklar, ob der i5-Vierkerner oder der i7-Vierkerner zum Vergleich herangezogen wird. Wenn es heißt, das neue MacBook Pro sei „dreimal schneller als der meistverkaufte Windows-Laptop in seiner Klasse.“ Welche Klasse soll das sein? Gemessen am Preis, an Leistung oder doch vielleicht am Formfaktor?

Apple behauptet, MacBook Air und Pro seien dreimal schneller als Windows-Laptops ihrer Klasse
Dreimal schneller als meistverkaufte Windows-Laptops in ihrer Klasse – diese Behauptung stellt Apple sowohl für das MacBook Air als auch das MacBook Pro auf. Foto: Apple / Screenshot

Die meistverkauften Laptops sind kaum diejenigen, die auch die beste Leistung haben. Nach allem, was wir wissen, könnte es sich beim Windows-Laptop in der gleichen Klasse um einen 400 Euro teuren Billig-Laptop handeln. Wohl kaum ein Vergleich für ein 1400 Euro teures MacBook – oder ein 1400-Euro-Windows-Gerät.

Auf all die Fragen gibt Apple keine Antwort und das ist extrem irreführend für den Käufer. Denn solange es keine unabhängigen Tests der Leistung gibt, stehen die Behauptungen ungeprüft und lose im Raum.

Es gibt keine Vergleichsbasis für Apples Behauptungen

Bei Macs mit Intel-Prozessoren war es einfacher, Leistungssprünge von Generation zu Generation zu messen. Das liegt daran, dass wir fast alle Details über die Chips bereits kennen und so einschätzen können, wie die Leistung ist. Apple Silizium-Chips sind uns aber gänzlich neu, wir haben keinen Anhaltspunkt, was sie in einem Laptop-Formfaktor liefern können.

Wie schwammig die Formulierungen sind, lässt sich besonders gut an der Behauptung ablesen, der M1 sei „der schnellste CPU-Kern der Welt“. Wo bleiben da die Vergleiche mit High-End-Desktop-Prozessoren wie dem AMD Ryzen 9 5950X und Intels i9-10900K? Irgendwas, mit dem sich dieses Aussage untermauern ließe?

Apple November-Event
Apple behauptet, der M1 sei der schnellste CPU-Kern der Welt Foto: Apple / Screenshot

Apple zeigt dazu Graphen – wenn man sie so nennen kann – die die Leistung des M1 demonstrieren sollen. Diese halte ich jedoch für kaum aussagekräftig. Die Einordnung der Kurven scheint völlig wahllos, es gibt keine Größenordnungen auf den Achsen. Als Vergleichspunkt zieht Apple den „neuesten PC-Laptop-Chip“ heran. Worum es sich hierbei handelt? Ein Rätsel. Meint Apple Intels Tiger-Lake-Prozessoren, die von 2 Kernen bis 8 Kernen mit 16 Threads reichen? Oder vielleicht doch die Tremont-SoCs, die von Intel für günstige Einsteiger-Laptops gefertigt werden? Ich habe keinen einzigen Anhaltspunkt, die Behauptung „doppelt so viel Leistung bei einem Viertel des Stromverbrauchs“ einschätzen zu können. Alles, was mir die Kurven verraten, ist: Apples M1 ist besser als irgendwas. Wen soll das von den Fähigkeiten des neuen Chips überzeugen?

M1 Leistungskurve
Bei 10 Watt Leistungsaufnahme im MacBook Air soll der M1 zweimal schneller als der neueste „PC-Laptop-Chip“ sein Foto: Apple / Screenshot

Vor allem der Stromverbrauch scheint vielversprechend

Apple hatte bei Intel-Chips stets mit Hitzeentwicklung zu kämpfen. MacBooks sind bekannt dafür, zu heiß zu laufen und Probleme beim Runterkühlen der Hardware zu haben. Hier könnte der M1 wirklich einen Unterschied machen. Dass Apple beim MacBook Air komplett auf einen aktiven Lüfter verzichten kann, ist ein Beweis dafür, dass der M1 effizienter und kühler läuft. Ob Apple aber auch die hohen Oberflächentemperaturen am Gehäuse, die bei Intel-MacBooks an der Tagesordnung sind, in den Griff bekommen hat, bleibt abzuwarten.

Das MacBook Air mit M1-Chip kommt ohne Lüfter aus
Das MacBook Air mit M1-Chip kommt ohne Lüfter aus Foto: Apple / Screenshot

Bei welcher Behauptung ich Apple durchaus vertraue, ist die Akkulaufzeit. Gerade hier kann das integrierte Design des M1 seine Muskeln spielen lassen. Das MacBook Air erreicht bei der Videowiedergabe 18 Stunden Laufzeit – das sind 6 Stunden mehr, oder 50 Prozent, als der Vorgänger. Beim MacBook Pro sind es sogar ganze 20 Stunden, doppelt so viel wie beim Vorgänger.

Keine Änderungen am Design der Macs

Was mich an der Vorstellung besonders gewundert hat, ist die Tatsache, dass alle vorgestellten Macs exakt das gleiche Äußere wie ihre Vorgänger haben. Leider bedeutet das beim MacBook Air und MacBook Pro, dass sie weiterhin große Ränder um das Display herum haben.

Dieses Design verwendet Apple nun schon seit vier Jahren. Ich hätte mir gewünscht, dass das Unternehmen für eine solch große Wende, wie sie der M1 markieren soll, einen moderneren Look präsentiert. Dass es dazu durchaus in der Lage ist, hat es Anfang 2020 mit dem MacBook Pro 16″ bewiesen.

Alter 720p-Kamera in neuen MacBooks
Die neuen MacBooks haben leider keine neue Kamera bekommen Foto: Apple / Screenshot

Abgesehen vom Innenleben gibt es überhaupt wenige Änderungen – nicht einmal neue Webcams. Zwar soll der Bildsignalprozessor (ISP) des M1 bessere Bilder liefern, die Qualität bleibt aber durch die 720p-Auflösung limitiert.

Intel wird noch nicht komplett ersetzt

Dass sich Apple anscheinend selbst noch nicht ganz sicher ist mit den Leistungszuwächsen des M1, lässt sich relativ einfach an der Verkaufsstrategie ablesen. Das neue MacBook Pro mit M1-Chip wird in zwei Varianten verkauft. Das alte MacBook Pro mit Intel-Prozessoren, das laut der Vorstellung vom neuen in allen Belangen überflügelt wurde, wird aber weiterhin angeboten. Jedoch nicht etwa als günstigere Alternative, nein. Das alte MacBook Pro gibt es in zwei teureren Varianten als das neue. Wenn der M1-Chip wirklich so viel besser sein sollte, warum bietet Apple die alten Geräte überhaupt noch an?

Auch gibt es die neuen Modelle mit maximal 16 GB RAM, während die alten bis zu 32 GB haben können. Zudem hat das MacBook Pro mit M1 nur zwei Thunderbolt/USB-Ports, während das Intel-Pendant vier davon hat. Das spricht dafür, dass Apple das alte Design mit seinem neuen Chip noch nicht ganz verdrängen kann. Wie sich der M1 gegen seine Intel-Rivalen im echten Leben schlägt, erfahren wir nächste Woche, wenn die neuen Laptops ausgeliefert werden.

Interessant ist auch, dass das MacBook Air nun den gleichen M1-Chip wie das MacBook Pro hat. Was soll also noch der Grund sein, ein MacBook Pro zu kaufen? Ich schätze, dass Apple den M1 im Air künstlich einschränkt, in dem es die Taktfrequenz limitiert. Das würde auch erklären, warum das Pro einen aktiven Kühler braucht, während das Air keinen hat.

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Apple setzt hauptsächlich auf App-Optimierung

Ich gehe davon aus, dass wir die großen Leistungssprünge vorerst nur in Apps sehen werden, die von Apple selbst stammen. Es ist hauptsächlich eine Optimierung auf den neuen Chip, die Vorteile liefert.

Was damit möglich ist, zeigt die Bearbeitung von 4K-ProRes-Videos in Final Cut. Das Arbeiten mit mehreren Timelines ist selbst für Hochleistungslaptops eine Herausforderung. Nun soll das mit einem lüfterlosen MacBook Air möglich sein. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Leistung mit anderen Codecs auch so hoch ist. ProRes stammt schließlich von Apple selbst und ist daher gut optimiert. Filmkameras nehmen jedoch in H.264 oder H.265 auf, ist die Leistung hier ebenso gut?

4K Prores auf MacBook Air
Beeindruckend: Das MacBook Air mit M1 soll in der Lage sein, 4K-Videos ruckelfrei bearbeiten zu können Foto: Apple / Screenshot

Neues macOS erforderlich

MacBooks mit dem M1 starten direkt mit der neuen macOS-Version Big Sur. Das ist erforderlich, weil nur Big Sur von Anfang an für die neue Chip-Architektur entwickelt wurde. Immerhin laufen praktisch alle alten Programme und Apps, die für Intels-X86-Prozessoren geschrieben und noch nicht für das neue System optimiert wurden, automatisch auf den neuen M1-Macs. Das verspricht zumindest Rosetta 2, Apples Software, die X86-Code in Echtzeit – also während die App läuft – in ARM-Code übersetzt. Es liegen zwar bislang keine Zahlen vor, es ist aber sehr wahrscheinlich, dass unoptimierte Apps durch den Übersetzungsprozess deutlich langsamer laufen als auf bisherigen Intel-Macs.

Nutzer, die ihren Mac zum Arbeiten brauchen, könnten dadurch stark eingeschränkt werden. Wenn Arbeits-Software auf einmal nicht mehr wie gewohnt performt und Entwickler zur Anpassung Zeit brauchen, kann das schnell zu Ausfällen führen.

macOS und iOS wachsen aneinander

Ein Vorteil des ARM-basierten M1 ist jedoch, dass nun auch iOS- und iPadOS-App auf dem Mac laufen. Denn Apples A-Series-Prozessoren, die in iPhones und iPads stecken, basieren ebenfalls auf der ARM-Architektur.

Apple hat noch viel zu tun

Es wird eine Weile dauern, bis Entwickler ihre Apps auf die neue Architektur angepasst haben. Eine neue Photoshop-Version soll etwa Anfang 2021 kommen. Nur dann können Nutzer auch wirklich von der höheren Leistung des M1 profitieren.

Immerhin gibt Apple selbst zu, dass nicht alle Apps sofort von der Leistung profitieren können. In einem ungewohnt selbstreflektierten Moment gegen Ende der Vorstellung räumt das Unternehmen ein, noch eine Menge Arbeit vor sich zu haben, das Potenzial seiner eigenen Chips voll auszuschöpfen.

Themen Apple MacBook Meinung
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