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Im Interview

„game“-Chef Felix Falk: »Deutschland kann Weltklasse im Gaming-Bereich sein

Felix Falk, geschäftsführer des game – Verband der deutschen Games-Branche
Felix Falk vertritt als Geschäftsführer des „game“-Verbands die Interessen der deutschen Games-Branche Foto: Felix Falk | game – Verband der deutschen Games-Branche
Marlene Polywka Techbook
Redakteurin

20.08.2023, 16:06 Uhr | Lesezeit: 13 Minuten

Die Gamescom steht vor der Tür und darauf freut sich nicht nur die TECHBOOK-Redaktion, sondern auch der Chef des deutschen Games-Verbandes, Felix Falk. Im Interview haben wir mit ihm über seine Erwartungen an die Messe, aber auch den generellen Stand der deutschen Gaming-Industrie im internationalen Vergleich gesprochen.

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2023 findet die Gamescom wieder vor Ort in Köln statt. Corona-bedingt musste das Event 2020 und 2021 digital abgehalten werden; 2022 kehrte man dann zum Konzept der Live-Veranstaltung zurück. Ab dem 22. August ist die weltweit größte Games-Messe wieder für Besucher geöffnet, zuerst allerdings nur für Fachpublikum und die Gewinner der entsprechenden Ticket-Verlosung. Alle anderen Messe-Besucher haben ab dem 24. August vollen Zutritt. Auch TECHBOOK wird vor Ort sein und von den Highlights berichten.

Bereits im Vorfeld haben wir mit Felix Falk, dem Geschäftsführer des deutschen Games-Verbandes über seine Erwartungen an die Gamescom 2023 gesprochen. Außerdem war Thema, wie Deutschlands Gaming-Industrie im internationalen Vergleich dasteht, wie es um die politische Aufmerksamkeit und Förderung bestellt ist und welche Spiele er selbst auch privat gerne zockt.

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Felix Falk im Interview zur Gamescom 2023

Bevor er Geschäftsführer des deutschen Games-Verbandes wurde, hat Felix Falk Musik- und Politikwissenschaft studiert. Ab 2004 leitete er – „per Zufall“, wie er selbst sagt – das Büro des Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Medien, wurde dann Geschäftsführer der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) und übernahm schließlich als Geschäftsführer des „game – Verband der deutschen Games-Branche“.

TECHBOOK: Die Gamescom 2023 steht kommende Woche an. Was erwartet ihr euch dieses Jahr vom Event? Was ist vielleicht doch anders als vergangenes Jahr?

Felix Falk: Also wir freuen uns vor allen Dingen, dass nicht alles anders ist, wie etwa in der Coronapandemie, während der wir zwei rein digitale Gamescom-Ausgaben veranstaltet haben. Es hat also immerhin etwas stattgefunden, das hat aber auch enorm viel Kraft gekostet in Zeiten, in denen andere ihre Events einfach abgesagt haben. Das vergangene Jahr war dann das Restart-Jahr; jetzt geht es wieder volle Fahrt voraus.

Und was wirklich großartig ist und was ich selbst gar nicht erwartet hätte, ist, dass es uns sogar gelingt, ein paar Rekorde aus 2019 noch mal zu übertreffen. Also ich weiß jetzt schon, dass die Gamescom in diesem Jahr größer und internationaler wird. Es gibt mehr Aussteller, insgesamt über 1200. Es wird wieder vielfältig und das wird einen Heidenspaß machen; wir freuen uns alle sehr darauf.

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Gamescom 2023 mit umfassendem Entertainment-Konzept

Die Vorfreude merkt man dir auch an. Es sind dieses Jahr, mehr noch als in den vergangenen Jahren, Namen wie Netflix oder Disney auf der Ausstellerliste zu finden. Diese Unternehmen haben teilweise einen eigenen Games-Bereich, sind aber vor allem für ihr Streaming-Geschäft bekannt. Habt ihr diesbezüglich Hoffnungen, dass Synergien entstehen? Gibt es ein Konzept?

Die Gamescom ist natürlich eine Games-Veranstaltung, das größte Gaming-Festival der Welt. Wir haben die Veranstaltung aber auch schon immer als 360-Grad-Festival gesehen. Das bezieht sich zum einen auf die Community. Da sind Cosplayer und eSportlerInnen dabei, und deswegen sind auch die ganzen Bereiche, in die Games sich inzwischen auch erstrecken, stärker vertreten. Wenn man sich Netflix oder Disney anschaut, dann sind ganz viele der Serien und Filme aus Games entstanden oder thematisieren Games, Storys oder Franchises und so weiter. Das soll sich natürlich auch auf der Gamescom zeigen.

Netflix beispielsweise ist selbst auch in diesem Bereich aktiv und ich würde sagen, dass gerade die großen digitalen Unternehmen wie Google, Amazon, Microsoft, Netflix – also einige der größten Unternehmen der Welt – Games als strategisch essenziellen Bereich wahrnehmen und entsprechend stark investieren.

Stimmt, Netflix hat eigene Spiele, Disney ebenfalls, sogar Amazon war an Spielen wie „New World“ beteiligt. Wie würdest du die Gamescom, aber auch die deutsche Gaming-Industrie an sich einordnen? Gab es eine gute Entwicklung in den vergangenen Jahren? Wie steht Deutschland diesbezüglich auch im internationalen Vergleich da?

Das ist wie eine Medaille – mit zwei Seiten. Die eine Seite ist total positiv und total stark. Nicht nur die Gamescom ist Weltklasse und das größte Festival weltweit für Games, sondern wir in Deutschland sind auch der die Nummer fünf auf der Welt, was den Umsatz der Games-Branche angeht. Das heißt, vor uns liegen nur USA, China, Japan und Südkorea, wir sind die Nummer eins in Europa mit fast 10 Milliarden Euro Umsatz; das kann sich echt sehen lassen.

Drehen wir die Medaille allerdings um, dann sind wir zwar extrem gut im Konsumieren – sechs von zehn Deutschen spielen Videogames, und zwar durch alle Altersklassen und unabhängig vom Geschlecht. Wir sind aber nicht so gut im Produzieren. Unsere Entwicklerstudios sind maximal klein bis mittelständisch geprägt. Da fehlen die richtig großen Unternehmen und auch die Anzahl generell ist ausbaufähig.

Das liegt vor allem daran, dass die Standortbedingungen eine ganze Weile schlecht waren. Etwa die Politik hat diesbezüglich nicht unterstützt, so wie es vergleichbare Länder wie England, Frankreich oder auch Kanada gemacht haben. Bei uns geht das jetzt erst los und deswegen wollen und müssen wir da besser werden. Aber da muss in der Produktion noch eine ganze Menge passieren, damit wir zur Weltspitze aufschließen können.

Die Games-Förderung in Deutschland

Hast du eine Theorie, warum das so ist, obwohl in Deutschland schon lange so viel konsumiert wird im Bereich Videospiele?

Wir sind ja eben auch nicht nur darin gut, zu konsumieren. Wir sind auch super darin, Videospiele zu programmieren, zu produzieren. Nur eben bei der Anzahl und auch der Größe der Spiele besteht noch Aufholbedarf. Und das hat auch einen Grund.

Die Spieleproduktion war vor 2020, bevor die Förderung durch die Bundesregierung eingeführt wurde, bis zu 30 Prozent teurer als an anderen Standorten. So ist man natürlich international kaum wettbewerbsfähig. Dir Förderung musste diesen grundsätzlichen Nachteil also erstmal ausgleichen. Nur so haben wir eine Chance, aus eigener Kraft auch wirklich an die Weltspitze zu kommen.

Man muss ja auch immer mit einkalkulieren, dass ein Spiel floppt. Die Produktion von Games ist ein Risiko-Geschäft. Ich kann zwei fast identische Spiele zeitgleich herausbringen: Das eine wird richtig erfolgreich, das andere nicht. Man muss also von vornherein einkalkulieren, dass man einen langen Atem braucht. Vielleicht floppt das erste Spiel, das zweite auch und durch die dabei gewonnenen Erfahrungen wird das dritte dann aber ein Erfolg. Um diesen Atem aber überhaupt zu haben, braucht man natürlich gleiche Bedingungen wie die Konkurrenz in anderen Ländern.

Dass das bei uns nun langsam gegeben ist, sieht man übrigens auch. Seit 2020 haben wir ein starkes Wachstum bei der Anzahl der Fachkräfte und vor allen Dingen haben wir seit 2020 ein Wachstum von 46 Prozent bei den Unternehmensgründungen. Das ist ein wirklich guter und großer Wert. Das zeigt, dass sich die Leute jetzt mehr trauen. Sie gehen eben nicht mehr zu Siemens oder SAP und programmieren dort. Stattdessen gründen sie ein Studio und entwickeln Spiele, das ist großartig.

Wir müssen allerdings auch hartnäckig sein und dranbleiben. Zweieinhalb Jahre Förderung reichen nicht aus, um an die Weltspitze zu kommen. Dafür muss die Bundesregierung auch jetzt verlässliche Rahmenbedingungen bieten. Daran hängt es gerade ein bisschen.

Hinweis: Der deutsche Games-Verband vertritt die Interessen seiner Mitglieder, darunter Entwickler, Publisher, eSport-Veranstalter und viele mehr. Zudem ist der Verband unter anderem Gesellschafter der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) und der Stiftung Digitale Spielekultur. In dieser Funktion stellt „game“ offiziell zehn Forderungen, die zum Kernpunkt der politischen Arbeit des Verbands gehören. Dazu gehört unter anderem eine bessere digitale Infrastruktur und mehr Förderung, um Deutschland als Games-Standort zu etablieren.

Kannst du konkretisieren, woran es da genau hängt?

Der Bundestag hat eine Aufstockung der Mittel auf 70 Millionen Euro im vergangenen Jahr entschieden, das heißt 70 Millionen standen eigentlich zur Verfügung. Mit dem Wachstum muss auch das Fördervolumen steigen. Es geht ja darum, die Produktion zu erhöhen, mehr Projekte umzusetzen. Diese 70 Millionen waren bereits im Mai verbraucht, es gab einen Antragsstopp. Jeder, der eigentlich plante, sein Spiel in Deutschland zu entwickeln, hatte ab dann wieder die gleichen kaum wettbewerbsfähigen Bedingungen wie vor 2020, also erneut 30 Prozent höhere Kosten.

Das hat einige Studios getroffen, die eigentlich mit der Förderung geplant hatten, dann plötzlich Partnern im Ausland absagen mussten, ihren Budgetplan nicht halten konnten. Aktuell liegt die Förderung beim Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck. Aber natürlich ist da auch die ganze Bundesregierung gefragt. Die Regierung hat nun einen Haushaltsentwurf vorgelegt, in dem es plötzlich heißt, dass die Fördergelder reduziert werden, und zwar auf 48,7 Millionen Euro.

Das bedeutet für die Games-Branche weniger Mittel und vor allem, dass für anderthalb Jahre alles eingefroren und keine Antragstellung möglich ist. Wir sind also im Prinzip wieder auf einem nicht wettbewerbsfähigen Niveau. Wir hoffen jetzt sehr auf den Bundestag und in diesem Zuge auf zwei Dinge. Erstens, dass sie die Fördergelder erhöhen und zweitens, dass das Fördermodell auch zu einer steuerlichen Förderung weiterentwickelt wird. Das haben nämlich fast alle anderen erfolgreichen Standorte. Dann wären es faire und vergleichbare Bedingungen.

Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenstrategie gesagt, dass Deutschland ein Leitmarkt für Games werden soll. Dann muss man aber eben auch etwas dafür tun. Auch deshalb wollen wir auf der Gamescom mit der Politik über genau solche Themen sprechen. Wollen wir nun Leitmarkt werden? Oder doch nur ein bisschen? Entweder ganz oder gar nicht.

Die Gamescom als Symbol

Robert Habeck ist vor Ort, um die Gamescom zu eröffnen. Glaubst du denn, dass ein großes Event wie die Gamescom mit ihrer Symbolwirkung tatsächlich politisch etwas ändern kann?

Total. Wir sehen, dass gerade Games auf der Gamescom einfach besser verstanden werden. Auf dem Event sieht man zudem die ganzen Cosplayer, die Community, die Kommunikation und die ganzen Aspekte – von eSport über Retro-Gaming bis zum Familienbereich. Es gibt eSports-Turniere, Shows, Konzerte. Das ist ein ganzes Universum. Um dafür ein Gefühl zu bekommen, sind Events wie die Gamescom und natürlich die Menschen vor Ort wichtig. Es zeigt außerdem, dass wir auch in Deutschland Weltklasse im Games-Bereich sein können.

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Noch ein paar Fragen zu dir. Du bist eigentlich studierter Politik- und Musikwissenschaftler. Wie hat es dich dann am Ende in die Videospielbranche verschlagen?

Das war ehrlich gesagt ein Zufall. Ich habe irgendwann – auch durch Zufall – im Bundestag gearbeitet, als Büroleiter der Vorsitzenden für Kultur und Medien. Das war genau in der Zeit, in der die große Killerspieldebatte brannte. Also: sind Spiele böse und machen Spiele Leute zu Amokläufern etc.

Damals war noch ganz viel Unverständnis für das Medium vorhanden und wir haben aus kultur- und medienpolitischer Sicht dafür geworben haben, vorurteilsfrei und sachlich auf Games zu blicken. Man kann ja immer gerne über die Inhalte streiten, aber nicht über das Medium an sich.  

In dieser Zeit war ich dann auch daran beteiligt, den Deutschen Computerspielpreis ins Leben zu rufen und habe viel mit den Games-Verbänden zusammengearbeitet. Daraus hat sich dann meine Arbeit als Geschäftsführer der USK ergeben, bei dem es um den Jugendschutz bei Computerspielen geht. So ist das alles gekommen und macht mir bis heute großen Spaß.

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Bei Videospielen geht es um Kreativität

Du hast also auch einen persönlichen Bezug zu Videospielen?

Ich habe schon immer viel gespielt, je nach Situation mal mehr mal weniger. Aber ich bin immer noch Gamer, wenn die Zeit es zulässt. Dementsprechend musste ich mir auch nichts aneignen, weil Gaming schon immer zu meinem ganz normalen Medienalltag gehört hat.

Hast du eine Lieblingsplattform? Ihr seid ja auch hier im Büro bestens ausgestattet.

Ja und wir legen darauf natürlich auch einen gewissen Wert. Hier wird etwa auch in der Mittagspause zusammen gespielt, da verliere ich leider des Öfteren (lacht). Was eine konkrete Plattform angeht, bin ich, wie übrigens die meisten Gamerinnen und Gamer, total flexibel. Bin ich zu Hause, dann greife ich eher mal zur Konsole oder spiele am PC. Unterwegs kommt dann eher das Handy zum Einsatz, also ganz situativ, das integriert sich in den Alltag.

Du warst ja auch als Musiker aktiv. Siehst du Gemeinsamkeiten zwischen dem musischen und dem Gaming-Bereich?

Da gibt es für mich ganz klare Zusammenhänge, zum einen im Kulturellen, zum anderen im Kreativen. Diejenigen, die Musik entstehen lassen, sind nicht weit weg von denen, die Games entstehen lassen. Bei Games kommt natürlich noch der ganze technologische Aspekt hinzu. Spannend ist in diesem Kontext auch die Wirtschaftlichkeit von Kultur, was die beiden Bereiche gemein haben; auch da gibt es Gemeinsamkeiten.

Mich persönlich reizt bei beidem aber in erster Linie das Kreative. Da denken sich kreative Köpfe Geschichten aus, sowohl in der Musik, als auch bei Videospielen, und es macht Spaß, mit ihnen zu arbeiten.

Hast du ein Lieblingsvideospiel?

Nicht wirklich. Aber zu Spielen von früher hat man einfach einen anderen Bezug. Beispielsweise „Monkey Island“ habe es auch letzten Sommer zur Hand genommen und es steckt voller schöner in Erinnerung, aber ich würde es jetzt nicht mehr unbedingt spielen. Dann habe ich letztens als Familienspiel „It Takes Two“ sehr genossen und kann das nur empfehlen. So könnte man ewig weitersprechen und das ist ja das Schöne: Es gibt für jeden und jede das passende Spiel. Da ist so eine große Vielfalt vorhanden und man muss einfach nur gucken und sich dann überraschen lassen.

Hinweis: Als Mitveranstalter der Gamescom ist der game-Verband ebenfalls auf der Messe in Halle 4.1 vertreten.

Themen #amex Gamescom Interview Videospiele
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