23. Mai 2023, 13:57 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Spannung, Grusel, Grausamkeit – dass True Crime unheimlich beliebt ist, hat Netflix längst bemerkt und sein Angebot mordsmäßig ausgebaut. TECHBOOK verrät, welche 6 Serien sich wirklich lohnen und wie „Unsolved Mysteries“ sogar zur Aufklärung eines Falls beitrug.
Wenn ein wahres Verbrechen zur Unterhaltung wird, finden manche das geschmacklos, andere sind fasziniert vom Grauen und der Grausamkeit der Täter. Wieder andere erhoffen sich durch True-Crime-Formate Einblicke in die Arbeit von Polizei, Jugendamt und Staatsanwaltschaft, denn oft genug bleibt nach dem Verbrechen eine Frage: Wie konnte das passieren? Wieso hat keiner hingesehen, niemand geholfen? Gerade Streaming-Dienst Netflix bietet seinen Abonnenten eine große Palette an True-Crime-Serien und -Filmen. Dank eines Formats, das sich mit offenen Fällen beschäftigt, konnte sogar der Fall eines vermissten Mädchens gelöst werden. Doch welche True-Crime-Inhalte sollte man sonst noch bei Netflix gesehen haben?
Jahrealter Fall dank Netflix-Serie gelöst
Auch wenn es ein morbides Vergnügen ist, bleiben True-Crime-Formate so beliebt wie eh und je. Und im Fall der 15-jährigen Kayla Unbehaun konnte im Jahr 2023 ein sechs Jahre alter Entführungsfall endlich aufgeklärt werden – dank der Netflix-Serie „Unsolved Mysteries“. Wer die Folge nicht gesehen hat: Am 5. Juli 2017 bricht die damals neunjährige Kayla mit ihrer Mutter zu einem Campingausflug im US-Bundesstaat Wisconsin auf. Der Vater Ryan Iskerka, der zu diesem Zeitpunkt das alleinige Sorgerecht für seine Tochter hält, bleibt zurück und wird seine Tochter die folgenden sechs Jahre lang nicht mehr wiedersehen. Denn Heather Unbehaun, Kaylas Mutter, verschwindet mit ihrer Tochter spurlos.
Sie erscheint nicht zu einem Gerichtstermin, schaltet ihr Handy aus, löscht ihre Profile auf Social Media. Als Heather und Kayla am 7. Juli 2017 nicht zurückkehren, verständigt Iskerka die Polizei. Erst ein paar Tage später wird das FBI eingeschaltet. Da ist Heather mit Kayla schon wie vom Erdboden verschluckt. Wie es ihr gelingen konnte, sechs Jahre lang unentdeckt zu bleiben, ist eines der großen Rätsel, das die Ermittler nun lösen müssen.
True-Crime-Fan erkennt Entführungsopfer
Dass Kayla und Vater Ryan Ikserka nun wieder vereint sind, haben sie einer aufmerksamen Frau in einem Laden in Ashvielle, North Carolina, zu verdanken, die anscheinend eine Vorliebe für True-Crime-Dokus hat. Sie hatte die „Unsolved Mysteries“- Folge wohl erst kürzlich auf Netflix gesehen und die Jugendliche als die vermisste Kayla erkannt. Anschließend verständigte die Frau erst eine Mitarbeiterin, dann die Polizei.
Kayla lebt nun wieder bei ihrem Vater. Laut den Ermittlern gehe es ihr gut. Ryan Iskerka ließ durch das National Center of Missing and Exploited Children das Statement veröffentlichen: „Ich bin überglücklich, dass Kayla sicher zu Hause ist. Ich möchte um Privatsphäre bitten in dieser Zeit, in der wir uns neu kennenlernen und den Neustart wagen.“
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Angehörige wenden sich an True-Crime-Macher und über Social Media
Dass ausgerechnet die Folge einer True-Crime-Doku für den entscheidenden Hinweis zu Kaylas Entdeckung sorgte, ist übrigens kein Zufall. Denn bei 30.000 gemeldeten Entführungen pro Jahr sind die US-amerikanischen Behörden schlicht stark ausgelastet. Die sogenannten „Amber Alerts“, die die Polizei an die Menschen verschickt, sollen zwar bei der Verbreitung von Vermisstenanzeigen helfen, sind aber meist regional begrenzt. Um die Vermissten dennoch zu finden, wenden sich Angehörige häufig an soziale Netzwerke oder eben auch an True-Crime-Formate.
Auch Kaylas Vater hat das getan und sagte in seinem Statement: „Ich möchte den Mitgliedern des Facebook-Forums ,Bring Kayla Home‘ danken; sie haben die Geschichte am Leben gehalten und für stete Aufmerksamkeit gesorgt.“ Immerhin: ein halbes Jahr, nachdem die „Unsolved Mysteries“-Folge im November bei Netflix erschien, wurde Kayla gefunden. Auch im deutschen Fernsehen gibt es mit Sendungen wie „Aktenzeichen xy … ungelöst“ vergleichbare Formate, die mitunter dazu führen, dass entscheidende Hinweise bei den Ermittlern eingehen.
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Die besten True-Crime-Serien auf Netflix
Neugierig geworden, welche Verbrechen noch auf Aufklärung warten oder besonders spektakulär gelöst wurden? TECHBOOK verrät, welche True-Crime-Serien sich auf Netflix lohnen, auch wenn vielleicht noch kein Happy End in Sicht ist.
„Unsolved Mysteries“ – das Revival auf Netflix
„Unsolved Mysteries“ ist eigentlich ein alter Hut, die Serie gab es in den USA nämlich schon in den Achtzigern. Doch am 8. Januar 2019 beschließt Netflix, das Format zurückzuholen, und im Jahr 2022 wird „Unsolved Mysteries“ zum absoluten Überraschungserfolg. Mittlerweile läuft die dritte Staffel auf Netflix. Jede Folge beleuchtet ungelöste Vermisstenfälle, Mafia-Machenschaften, Kindesentführungen und übernatürliche, oder wenigstens bislang unerklärbare, Phänomene. Die letzte Hoffnung in diesen Cold Cases sind sachdienliche Hinweise aus dem Publikum – wie im Fall von Kayla Unbehaun.
„Missing: Dead or Alive?“ – dem Sheriff über die Schulter schauen
Ganz neu, ein Hot Case sozusagen, ist die Serie „Missing: Dead or Alive?“, die erst kürzlich am 10. Mai 2023 mit vier Folgen auf Netflix erschien. Das Konzept ist angenehm originell: Wir folgen den Mitarbeitenden eines Sheriff-Büros in South Carolina, die verschiedene Vermisstenfälle aufklären. Verstörende Entdeckungen, unerwartete Auflösungen und ein empathisches Ermittlungsteam verwandeln den Netflixabend in ein True-Crime-Highlight. Die einzelnen Folgen basieren auf wahren Fällen aus den Jahren 2019 bis 2021. So auch die Geschichte von David, dessen Truck verlassen am Autobahnrand entdeckt wird. Von David fehlt jedoch jede Spur, genau wie von seinem Lottoschein im Wert von 10.000 US-Dollar …
„Dahmer“ – erfolgreich, aber verwerflich?
Nach ihrem Erscheinen kontrovers diskutiert wurde die Spielfilmserie „Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer“. Zehn Folgen ist die Miniserie lang und erzählt die Geschichte des US-amerikanischen Serienmörders, herausragend gespielt von Evan Peters. Mindestens 17 junge Männer tötete Dahmer zwischen 1978 und 1991 auf brutalste Weise. Zuerst lockte er seine Opfer in seine Wohnung, setzte sie dort unter Drogen. Schmerzhaft detailliert zeigt die Serie, wie er sie sexuell missbraucht, erwürgt, nekrophile Handlungen an den Leichen vollzieht und sie schließlich zerstückelt, manchmal sogar verspeist. Diese Verbrechen dokumentiert Dahmer mit einer Sofortbildkamera. Die Serie ist also nicht umsonst erst ab 18. Und als wäre Dahmers Grausamkeit nicht genug, begeht die Polizei bei der Ermittlung eklatante Fehler, zum Teil aus rassistischen Gründen, sodass Dahmer ungestört weitermorden kann. Das Publikum auf der Couch darf sich gruseln. Schon in der Woche ihres Erscheinens gilt die Serie als eine der meistgeschauten Serien in englischer Sprache.
Trotz der brillanten Inszenierung darf aber eine Sache nicht vergessen werden: Die Serie basiert auf wahren Ereignissen, Dahmers Opfer sind echte Menschen. Ihre Angehörigen mussten 2022 den Hype um die Serie über den Mörder ihrer Liebsten miterleben. Ob es da unbedingt nötig war, den Fall Dahmer so bildgewaltig und detailliert auszuschlachten? Gelohnt hat es sich für Netflix anscheinend schon, denn der Streaming-Anbieter hat bereits eine zweite „Monster“-Staffel angekündigt, in der es um die Brüder Lyle und Erik Menéndez gehen soll, die 1989 ihre Eltern ermordeten.
„Die Krankenschwester“ – Todesengel im Krankenhaus
Morden eigentlich nur Männer? Nein! Mit „Die Krankenschwester“ widmet Netflix eine Miniserie der frischgebackenen dänischen Krankenpflegerin Pernille Kurzmann Larsen – die aber nicht die Mörderin ist! Als Protagonistin dieser Spielfimserie und die Neue im Krankenhaus lernt sie ihre charismatische Kollegin Christina Aistrup Hansen kennen. Doch Christina ist nicht nur sympathisch und offen, sondern geradezu süchtig nach Aufmerksamkeit. Das lässt in Pernille den dunklen Verdacht aufkommen, dass ihre neue Freundin vielleicht etwas mit den gehäuften Todesfällen im Krankenhaus zu tun haben könnte. Doch wie soll sie das beweisen, wenn ihr niemanden glauben will?
Diese filmisch ausgezeichnet umgesetzte Serie beruht auf dem gleichnamigen Kriminalroman von Kristian Corfixen. Unsere Heldin Pernille ist also eine fiktive Figur, doch ihre Gegenspielerin Christina Aistrup Hansen gibt es wirklich. Im Juni 2016 wurde die ehemalige Krankenpflegerin wegen vierfachen Mordes und versuchten Totschlags schuldig gesprochen. Nicht zu verwechseln ist „Die Krankenschwester“, im Englischen „The Nurse“, mit dem Netflix-Spielfilm „The Good Nurse“, ebenfalls ein True-Crime-Format, das sich um den Krankenpfleger und Serienmörder Charles Cullen dreht.
„Sei lieb“ – das Grauen im Sektenalltag
Sekten sind nicht gerade dafür bekannt, Safe Spaces zu sein. Doch was die Miniserie „Sei lieb: Bete und gehorche“ zutage fördert, kann einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Die Netflix-Produktion ist nicht das erste Format, das sich mit der US-amerikanischen Fundamentalist Church of Jesus Christ of Latter-Day Saints, kurz FLDS, und ihrem Oberhaupt Warren Jeffs befasst. Sein Vater, Rulon Warren, galt als unsterblicher Prophet, als Vertreter Gottes auf Erden und als Polygamist. Zwischen 19 und 75 Ehefrauen soll er gehabt haben und über 60 Kinder. Drei Ehefrauen – so viel brauche ein Mann mindestens, um in den Himmel zu kommen. Verletzt er aber die Regeln der Sektengesellschaft, kann „Uncle Rulon“ ihm Haus, Kinder und Ehefrauen einfach entziehen und einem anderen Mann zusprechen. Frauen und Kinder als Besitztümer und Sexobjekte, Kinderbräute als Lohn und Druckmittel – das ist eine der Säulen, auf denen die FLDS ruhte.
Im ersten Teil beleuchtet die Serie Rulon Jeffs Leben und die Anfänge seiner Sekte. Die folgenden drei Teile beschäftigen sich dann mit dem Aufstieg und Fall von Warren Jeffs, der nach dem Tod seines Vaters – der offenbar sterblicher war, als gedacht – dessen Position einnimmt. Gerade die Erlebnisberichte und Aussagen der Zeuginnen sind es, weshalb einem „Sei lieb: Bete und gehorche“ so unter die Haut geht.
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Quellen
- Süddeutsche Zeitung: „Verbrechen geklärt – dank Netflix-Doku“ (aufgerufen am 22.05.2023)