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Meinung zu Googles KI-Film-Tool: „Das Ende der Kunst!“

Roboter schaut durch eine alte Filmkamera
Google Flow ist ein KI-Tool, das auch Spielfilme ermöglichen soll. Ein Horror für unseren Autoren Woon-Mo Sung. Foto: Getty Images, Montage: Techbook
Woon-Mo Sung
Redakteur

22. Mai 2025, 8:31 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Wann immer Technologien den nächsten Sprung nach vorn machen, schreit nicht selten die Kreativbranche auf. Mit dem Voranschreiten generativer KI-Lösungen wie etwa Google Flow möchte unser Autor Woon-Mo Sung nun im Chor der Skeptiker mitsingen.

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Es spielt keine Rolle, ob Musik, Filme oder Bilder – ich empfinde Kunst als großartig. Längst nicht alles, was in ihrem Namen herauskommt, interessiert mich. Aber ich bin froh, dass es sie gibt, mich Verschiedenes fühlen lässt und mir dadurch neue Perspektiven aufzeigt. Doch die Wertschätzung gilt nicht ausschließlich dem Endresultat, sondern auch dem Weg dorthin. Der Schaffensprozess selbst ist bewundernswert und je eindrucksvoller das Werk, desto mehr ringen mir Können und Einfallsreichtum des Künstlers Respekt ab. Das setzt für mich aber einen zentralen Aspekt voraus: Kreativität und das künstlerische Handwerk dazu sind fundamental menschlich. Und mit neuen generativen KI-Lösungen wie Googles Flow rückt dies so stark wie nie zuvor in den Hintergrund. Ein furchtbarer, aber vermutlich unaufhaltsamer Vorgang.

Google Flow soll KI-Filme ermöglichen

Der große Suchmaschinenkonzern ist nicht der erste, der an einer generativen KI-Lösung für Bewegtbilder arbeitet. Die ChatGPT-Macher von OpenAI etwa haben mit Sora bereits ein starkes Tool herausgebracht und Google selbst hatte zuvor mit Lumiere ein Werkzeug zur Erstellung kurzer Videos entwickelt.

Mit Flow will Google aber noch einen Schritt weitergehen und eine Möglichkeit bieten, mithilfe künstlicher Intelligenz ganze Spielfilme zu erschaffen. Wie unter anderem „TechCrunch“ berichtet, soll Googles Flow auf drei Software-Säulen stehen: Veo für die Videogenerierung, Imagen für Bilder und Gemini für Texte und Prompt-Befehle. Nutzer sollen Figuren und Szenen importieren oder erstellen lassen können sowie die Kamera kontrollieren und ganze Szenenabläufe erschaffen lassen.

Ferner möchte man mit „Flow TV“ einen Videostream einführen, bei dem Zuschauer die zugrundeliegenden Prompts zum jeweiligen Video einsehen können. Flow wird zuerst US-Anwendern zur Verfügung gestellt, und zwar mit Google AI Pro und Google AI Ultra. Ob und wann das Programm auch nach Deutschland kommt, ist bislang nicht bekannt.

Kunst und Technik – erstmal aufschreien

Natürlich ist es nicht das erste Mal, dass die Kreativen in Anbetracht fortschreitender technologischer Entwicklungen skeptisch reagieren. Das hat es bereits mehrmals gegeben, etwa mit Video- und Musik-Streaming, vorher Internet-Downloads oder als Computer nach und nach Stift und Papier ersetzten.

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Und immer müssen Unternehmen erst einmal beschwichtigen: Etwa in den Anfangszeiten des Animationsfilmstudios Pixar („Findet Nemo“, „Alles steht Kopf“), als John Lasseter erklärte, Computer würden die Kreativität und die Kunst des Filmemachens nicht ersetzen. „Wir sehen sie als großartige, neue, teure Stifte an“. Heutzutage sind Rechner auf dem kreativen Prozess nicht mehr wegzudenken, gerade im Filmbereich. Vor diesem Hintergrund sollte man doch auch der Verbreitung von KI offen gegenüberstehen, oder?

Demokratisiert KI wirklich Kunst?

Tatsächlich gibt es Stimmen, die behaupten, dass künstliche Intelligenz die Kunst demokratisieren würde. Laien würde sie es erlauben, nun selbst eigene Kunstwerke zu erschaffen und den Zugang zur Kunstwelt zu erleichtern. Aber ist dem wirklich so?

Schaffen sie die Kunstwerke selbst? Meiner Meinung nach gerät der künstlerische wie handwerkliche Eigenanteil bei generativer KI so sehr in den Hintergrund, dass ich mich weigere, dabei noch von einer bewundernswerten Schöpfung zu sprechen. Klar, eine Idee davon, was am Ende bei herumkommen soll, muss man schon haben. Und es ist eine Fähigkeit für sich, das einer Maschine auch adäquat in einem ausführlichen Prompt zu erklären.

Aber „Demokratisierung der Kunst“, das hieße für mich, allen die Möglichkeiten zum Kunstschaffen zu geben. Etwa mit erschwinglicheren Programmen, Instrumenten oder besserem Zugang zu künstlerischem Wissen. Für mich soll und darf es jedoch nicht bedeuten, allen die Arbeit und die Freude am Kunstschaffen im gleichen Zuge wieder abzunehmen.

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Ohne Können keine Kunst

Mir fehlt dabei der konkrete Pinselstrich. Der eine besonders pointierte Satz. Oder hätte sich ChatGPT jemals „Supercalifragilisticexpialidocious“ aus Disneys „Mary Poppins“ einfallen lassen können? Ganz sicher nicht mal im Glitch, ähm, ich meine im Traum! Denn diese Wortschöpfung ist so irre, so gaga – die konnte sich nur ein Mensch ausdenken.

Man darf nicht vergessen, dass selbst moderne Computerprogramme in Hollywood dabei helfen, dass Handgemachte ins Digitale zu übersetzen. Das zeigen Hintergrundberichte immer wieder eindrucksvoll. Dabei wird klar, dass nach wie vor wahre Könner ihres Fachs vor den Rechnern sitzen und zum Beispiel bei Animationsfilmen eben echte Striche auf ihren Tablets ziehen.

Animatoren wiederum schneiden auch schon mal zur Referenz Grimassen vor dem Spiegel und lassen das in ihre Arbeiten einfließen. Von der Schauspielkunst will ich gar nicht erst anfangen.

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KI ist das Ende der Kunst

Ich kann mich erinnern, wie ich mal für die gute alte PS2 ein Musikprogramm ausprobierte, bei dem ich aus verschiedenen vorgefertigten Versatzstücken eigene Tracks erstellen konnte. Es war eine primitive Software, die aber Spaß machte und mit der ich mich ein wenig ausprobieren konnte. Allerdings verstand ich mich zu keiner Sekunde als Musiker. Vielleicht hätte dies mich aber zu mehr inspirieren können. Intention zur Kunst allein reicht meines Erachtens nicht aus.

Mir war aber auch stets klar: Wenn ich das ernsthaft betreiben wollte, müsste ich mindestens ein echtes Gespür für Musik entwickeln, für Takte und Tempo etwa, für Melodien und Noten. Oder vielleicht auch ein Instrument lernen. Wenn ich aber keinen Stift mehr führen oder keine Gitarre mehr spielen muss, dann kann ich mich auch nicht als Künstler bezeichnen. Und wenn dies, KI sei Dank, am Ende niemand mehr wirklich muss, dann ist dies auch das Ende der Kunst

Dann gibt es nur Abbilder von Kunst: distante, digital erzeugte, nicht künstlerische, sondern künstliche Interpretationen verhallender Echos menschlicher Kreativität in einem unendlichen Meer aus Einsen und Nullen. Daran darf sich gerne auch jeder noch so unbegabte Depp versuchen. Aber ist das schon Kunst oder kann das doch weg? Ich sage: Es kann weg.

Themen Google Künstliche Intelligenz Meinung

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