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Datenschutz und mehr

Das sollten Sie wissen, wenn Sie Arzttermine per Doctolib buchen

Auf Doctolib lassen sich Termine bei verschiedenen Ärzten buchen. Doch wie sieht es mit dem Datenschutz aus?
Auf Doctolib lassen sich Termine bei verschiedenen Ärzten buchen. Doch wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Foto: picture alliance / PHOTOPQR/L'INDEPENDANT/MAXPPP | MICHEL CLEMENTZ
Lars Lubienetzki
Freier Redakteur

14.08.2023, 07:23 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Der Rücken schmerzt, das Kniegelenk knirscht, in diesen Fällen einen schnellen Termin bei einem Facharzt zu bekommen braucht Zeit und viel Geduld in Warteschleifen. Gibt es da nicht irgendeine App? Gibt es: Doctolib. Doch wie sicher sind die Daten hier und was sollten Nutzer beachten. TECHBOOK klärt auf.

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Eine der bekanntesten digitalen Helfer für die digitale Terminbuchung beim Arzt kommt aus Frankreich und nennt sich Doctolib. Seit dem Jahr 2016 gibt es die Doctolib-App auch in Deutschland. Hierzulande nutzen inzwischen etwa 70.000 Arztpraxen und andere medizinische Einrichtungen Doctolib – Tendenz steigend. Vor allem während Corona erlebte die Plattform einen Boom durch die zahlreichen Terminbuchungen für Impfungen. Allerdings gibt es schon seit einer Weile datenschutzrechtliche Bedenken. Deswegen schauen wir einmal genauer hin.

Günstige Terminbuchungslösung für Ärzte

Die Beliebtheit der Doctolib-App ist eng gekoppelt mit der Pandemie-Zeit. Viele Arztpraxen haben es in der Corona-Hochphase nicht mehr hinbekommen, ihre Patienten telefonisch adäquat mit zeitnahen Terminen zu versorgen. Die Zahl der telefonischen Anfragen ist in der Coronazeit immens gestiegen.

Doctolib hat damals eine einfache und für die Ärzte auch günstige Alternative parat. Die Kosten für den Terminbuchungsservice belaufen sich für einen allein tätigen Arzt auf knapp 150 Euro. Das lohnt sich und entlastet die sogenannten Medizinischen Fachangestellten (MFA) in der Arztpraxis. Denn dank Doctolib klingelt das Telefon deutlich seltener, es bleibt mehr Zeit für die Patienten vor Ort.

Berlin hat Doctolib ab dem Jahr 2021 sogar mit der gesamten Koordination der COVID19-Impfungen beauftragt. Für die Menschen, auf der Suche nach einem Impftermin, eine deutliche Zeitersparnis.

Warum kritisieren Datenschutz-Experten Doctolib?

Für alle beteiligten Gruppen scheint Doctolib offensichtlich nur Vorteile zu bringen. Datenschutz-Experten sehen das hingegen anders und erheben zum Teil schwere Vorwürfe.

Der Kern der Kritik zielt auf die Rolle von Doctolib. Das Unternehmen sei eben nicht nur ein einfacher Vermittler von freien Arztterminen. Wenn sich Doctolib mit einem Arzt auf eine Zusammenarbeit geeinigt hat, erhalte das Unternehmen Zugriff auf den gesamten Patienten-Stammdatensatz. Dazu gehören beispielsweise:

  • Anschrift,
  • Telefonnummern,
  • Mailadressen,
  • Vorerkrankungen,
  • Krankheitsverläufe oder
  • Versicherungsstatus.

Datenschützer haben herausgefunden, Doctolib bekomme sogar Zugriff auf die Daten von Verstorbenen oder von Patienten, die von einem anderen Arzt behandelt worden sind. Das ist der Fall, wenn ein Arzt eine bestehende Praxis als Nachfolger übernimmt.

Genau wegen dieser Daten gibt es Kritik. Schließlich lässt sich hier nur schwer damit argumentieren, diese Menschen hätten der Datenweitergabe in irgendeiner Weise zugestimmt. Was viele nicht wissen, wenn Sie online oder per App einen freien Arzttermin über einen externen Dienstleister vereinbaren: Sie schließen einen Vertrag mit einem Unternehmen und nicht mit dem behandelnden Arzt. Der Arzt wiederum hat zuvor per Vertragsschluss Doctolib das Recht eingeräumt, als sogenannter gesetzlich zugelassener externer Auftragsverarbeiter aufzutreten. Was bedeutet das?

Dadurch bekommt beispielsweise Doctolib das Recht eingeräumt, auf den kompletten Patienten-Stammdatensatz zugreifen zu können. Darauf müssten die Ärzte ihre Patienten eigentlich hinweisen, und zwar vor der ersten Terminbuchung über Doctolib.

Der Anbieter mit Sitz in Berlin argumentiert, dass die Ärzte bei Vertragsabschluss auch explizit darauf hinzuweisen würden. Ob die Ärzte dieser Informationspflicht tatsächlich nachkommen, lässt sich nur schwer überprüfen. Genauso wenig lässt sich nachverfolgen, was Doctolib mit den sensiblen Gesundheitsdaten macht und ob diese ordentlich gesichert abgespeichert sind. Hier hilft tatsächlich nur Vertrauen, Kontrolle funktioniert in diesem Falle nicht.

Datenschutzfälle in der Vergangenheit

Ereignisse in der Vergangenheit zeigen zumindest: Nicht alle Datenlöcher sind geschlossen. Im Jahr 2021 berichten verschiedene Medien, Doctolib habe Daten an Facebook und die Online-Marketing-Agentur Outbrain weitergegeben. Beide Firmen sitzen in den USA. Laut Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU soll genau das nicht mehr passieren: Daten aus der EU an Server in Nicht-EU-Ländern weiterzugeben.

Nach diesem Vorfall vermeldet Doctolib, das Unternehmen habe sämtliche Marketing-Cookies entfernt, damit sich eine solche Datenpanne nicht wiederholt. Dennoch verleiht der Verein Digitalcourage den Big Brother Award im Jahr 2021 an Doctolib, unter anderem wegen besagter Datenpanne und dem ungefilterten Zugriff auf Patientendaten.

Lesen Sie auch: „Kry“ im Test – ersetzt die App den Arztbesuch? 

Wie reagiert Doctolib auf die Kritik?

Doctolib nimmt die Kritik der Datenschutz-Experten ernst und stellt sich auch den Kritikern. Zu der Kritik am Zugriff auf den gesamten Patienten-Stammdatensatz hat das Unternehmen immer wieder betont, die Kommunikation erfolge nach wie vor nur zwischen dem Patienten und dem behandelnden Arzt. Doctolib nutze keine Daten für eigene Zwecke. Wie schon weiter oben erwähnt, seien außerdem sämtliche Patientendaten in anonymisierter Form auf Servern abgelegt.

Da diese Prozesse alle unsichtbar ablaufen, lässt sich die Aussage nicht überprüfen. Über die dafür eingesetzten Sicherheitsstandards macht das Unternehmen keine konkreten Aussagen.

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Welche datensicheren Möglichkeiten gibt es?

Zunächst einmal: Die Terminbuchung per Doctolib-App oder einem anderen Anbieter ist grundsätzlich eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Methode per Telefon. Ein Doctolib-Konto ist schnell eingerichtet. Die Buchung eines Termins ist auch für Technik-Laien problemlos möglich. Und das System erinnert im Vorfeld mehrfach an anstehende Arzttermine.

In der Zukunft werden sicherlich auch immer mehr solcher Apps auf den Markt kommen. Denn auch Ärzte berichten, seitdem sie mit Doctolib zusammenarbeiten, fänden viel mehr jüngere Patienten den Weg in ihre Praxis. Offensichtlich scheint eine jüngere Zielgruppe die Buchung eines Arzttermins per App zu bevorzugen. Dennoch sollte die Entwicklung kritisch begleitet werden. Selbstverständlich müssen auch nicht alle Patienten die Terminbuchung per App gut finden.

Wenn Sie sich unsicher sind, was Anbieter wie Doctolib mit ihren Daten alles anstellen, können Sie – wie bisher auch – einfach den Telefonhörer in die Hand nehmen. Noch verzichtet der Großteil der deutschen Ärzteschaft auf digitale Buchungsdienste wie Doctolib.  

Oder Sie nutzen den Online-Dienst der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Dort können Sie nach Fachärzten in Ihrer Nähe suchen und auch direkt Termine vereinbaren. Das läuft dann nicht ganz so reibungslos wie per App und nimmt auch etwas mehr Zeit in Anspruch. Allerdings haben Sie dann die volle Sicherheit: Ihre Daten bekommt nur der behandelnde Arzt und niemand sonst.

Themen #amex Datenschutz Gesundheit Sicherheit
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