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Audio-Spezialist

Was man über den Hersteller Bose wissen sollte

Symbolbild: Die offene Ladenfront eines Bose-Stores in Shanghai.
Anders als in Europa unterhält Bose in Asien weiterhin seine Flagship-Stores, wie hier in Shanghai. Foto: picture alliance/dpa/HPIC | Dycj

04.10.2023, 08:34 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Bose ist eine Marke mit Kultstatus und ein Garant für Qualität. Trotzdem stolpert das Audiounternehmen seit einigen Jahren von einer Krise zur nächsten. TECHBOOK hat sich die Gründungsgeschichte des beliebten Kopfhörer-Herstellers einmal genauer angeschaut.

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Die Bose Corporation ist ein US-amerikanischer Anbieter hochwertiger Audio-Lösungen sowohl für den privaten als auch für den professionellen Gebrauch. Bose stellt neben Lautsprecher-Boxen, Kopfhörern und Audio-Systemen fürs Auto zum Beispiel auch Beschallungssysteme für Hallen, Säle oder Kirchen her, die exakt auf die jeweilige Umgebung abgestimmt sind. Seit einigen Jahren allerdings reißen die Hiobsbotschaften um die von ihren Anhängern geradezu kultisch verehrte Marke nicht ab.

Vom Radio-Reparateur zum Unternehmensgründer

Gegründet wurde die Bose Corporation 1964 in Framingham (Massachusetts) vom damals 35-jährigen Amar Gopal Bose. Die Lebensgeschichte des Firmengründers liest sich abenteuerlich: Sein Vater war ein bengalischer Revolutionär, der vor der britischen Kolonialpolizei aus Kalkutta in die USA floh. Als das spätere Familienimportunternehmen während des Zweiten Weltkrieges ins Taumeln geriet, half der 13-jährige Amar G. Bose mit einer Radio-Reparaturwerkstatt aus. Mit 17 Jahren wurde er am Massachusetts Institute of Technology (MIT) angenommen. 1956 promovierte er in Elektrotechnik und arbeitete schließlich als Assistenzprofessor am MIT.

Als Liebhaber klassischer Musik war Amar G. Bose bitter enttäuscht von der Akustik der Stereoanlagen seiner Zeit und widmete sich der sogenannten Psychoakustik. Dabei handelt es sich um ein Teilgebiet der Psychophysik, die sich wiederum mit dem Zusammenspiel menschlicher Empfindung von Schall als Hörereignis und mit dessen physikalischen Schallfeldgrößen beschäftigt.

Was zunächst sehr komplex klingen mag, brachte Bose schließlich auf eine wichtige Erkenntnis: Nur etwa zehn Prozent des Schalls erreicht unser Ohr auf direktem Weg. Der überwiegende Rest wird zuvor durch Oberflächen wie Wände und Decken reflektiert. Auf Grundlage dieser Erkenntnis entwickelte Amar G. Bose einen Lautsprecher, der den Schall in alle Raumrichtungen abstrahlte. Das Ziel: Die Nachbildung der Schallabstrahlung von echten Musikinstrumenten, wie etwa in einem Konzertsaal. Denn auch hier erreicht der Schall das Publikum erst, nachdem er von den Wänden und der Decke reflektiert wurde.

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Ideenschmiede statt Kopfhörer-Konzern?

Auf diesem Motto beruht bis heute das Selbstverständnis des Unternehmens. Damit einher geht auch die lebenslange Weigerung von Bose, die herkömmlichen Audiomessverfahren als relevante Bewertungsmaßstäbe der Qualität von Audiogeräten anzuerkennen. Allein die Wahrnehmung des Hörers tauge als ultimativer Test, so Bose damals. Aus dieser Haltung resultiert bis heute das Prinzip, keine entsprechenden technischen Daten zu den eigenen Produkten zu veröffentlichen.

Bose versteht sich selbst „nicht als Audiounternehmen, sondern als Ideenschmiede“. Dem wirtschaftlichen Erfolgt tat diese etwas eigenwillige Einstellung sehr lange keinen Abbruch. Im Gegenteil: Noch immer genießt Bose einen Ruf als Kultmarke, die Fans geradezu ikonisch verehren – nicht zuletzt, weil die Qualität der Produkte stimmt. Und selbst das Design ist preiswürdig, wie 2020 die Verleihung des prestigeträchtigen Reddot Design Awards für den Portable Smart Speaker zeigte.

Bose kann Schlaglöcher ausbügeln, aber keine Skandale verhindern

Das Unternehmen Bose ist aber nicht nur im Bereich der Unterhaltungselektronik aktiv, sondern bietet auch Profi-Lösungen an. Zu den gleichermaßen berühmten wie ungewöhnlichen Aufträgen gehören etwa der Petersdom in Rom und der ehemalige Bonner Bundestag. Hier hat Bose maßgeschneiderte Beschallungsanlagen geliefert. Und sogar bei – auf den ersten Blick völlig artfremden – Themen konnte das Unternehmen Erfolge verzeichnen. Etwa mit dem Anfang des Jahrtausends vorgestellten Bose Suspension System für Autos. Dieses Radaufhängungssystem setzt nicht auf die herkömmlichen Federbeine, sondern auf vier elektromagnetische Linearmotoren, die Fahrbahnunebenheiten aktiv ausgleichen. Damit kann ein Auto über Bodenwellen flitzen, ohne dass sich die Karosserie bewegt.

Wer nun allerdings meint, bei Bose sei die (Wirtschafts-)Welt noch in Ordnung, täuscht sich. Schon seit einigen Jahren reiht sich Hiobsbotschaft an Hiobsbotschaft, Skandal an Skandal. So verklagte ein US-Kunde Bose im April 2017, weil das Unternehmen Daten von Nutzern kabelloser Bose-Kopfhörer weitergegeben habe. Einen Monat später veröffentlichte Bose immerhin eine aktualisierte Software-Version, bei der Anwender das Übertragen von Nutzerdaten abschalten konnten.

Die Zahlen rauschen abwärts

Als wären Fehltritte dieser Art nicht schmerzhaft genug, wächst auch stetig die Konkurrenz auf dem Audio-Markt. Gerade im Bereich Kopfhörer und Soundsysteme für Privathaushalte legen auch andere Unternehmen starke Produkte vor. Apple bedient eine ähnliche qualitäts- und stilorientierte Zielgruppe wie Bose. Lifestyle-Marken wie Beats haben sich dagegen unter jüngeren Kunden und Gamern etabliert. Die Folgen sind deutlich: Boses Umsatz brach seit 2019 um etwa fünfundzwanzig Prozent ein. Im vergangenen Jahr 2022 konnte das Unternehmen nur noch drei statt wie bisher vier Milliarden US-Dollar umsetzen.

2020 – kurz vor der Corona-Pandemie – ging das Unternehmen noch einen drastischen Schritt weiter und trennte sich von allen 130 Bose-Stores in Europa, Australien, Japan und Nordamerika. Als Begründung verwies Bose auf das deutlich veränderten Kaufverhalten der Kunden. Der Trend zum Online-Shopping hat spätestens durch die Pandemiejahre noch einen weiteren Boost erhalten. Dennoch sendet das Schließen so vieler firmeneigener Filialen ein bedenkliches Signal. Von den Einsparmaßnahmen unberührt blieben bisher die Stores in Asien sowie in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

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Imageschaden vs. Zuversicht

Der in Sachen Image wohl größte Schaden folgte Anfang Dezember 2021. Damals hat das Bundeskartellamt die deutsche Bose-Tochter (Bose GmbH) mit einer Geldstrafe von fast sieben Millionen Euro belegt. Bose habe „über Jahre hinweg die freie Preisbildung beim Vertrieb der Audioprodukte durch beteiligte Vertragshändler eingeschränkt“, so der Vorwurf. Bald darauf, Anfang Mai 2022, ließ das Unternehmen dann verlauten, dass erneut 250 Mitarbeiter entlassen worden sind. „Erneut“ deshalb, weil Bose bereits seit 2019 immer wieder Entlassungen ausgesprochen hat. Nur noch rund 6000 Menschen arbeiten 2022 bei Bose, der Großteil davon in Boston. 2019 hielt Bose noch etwa 9000 Beschäftigte.

Doch auch wenn die Zahlen sich in bedenklichem Maße abwärts bewegen, könnte sich der Trend noch aufhalten lassen, wenn das Unternehmen umsichtig durch die Krise geführt wird. Gründer Amar G. Bose, der bereits 2013 verstorben ist, hatte die Mehrheitsanteile seines Unternehmens noch zu Lebzeiten an das MIT überschrieben. Sein Institut hat zwar weder Mitsprache im Tagesgeschäft, noch darf es seine Anteile verkaufen. Doch mit den Gewinnen werden weiterhin Forschung und Labore finanziert. „Wir sind ein Unternehmen mit dem Erbe eines brillanten Ingenieurs, Gründers und Innovators, der Musik liebte“, sagt Lila Snyder, die Bose seitdem leitet und in eine aussichtsreiche Zukunft führen will. Idealismus allein wird dafür nicht ausreichen, doch die CEO hatte bereits in der Vergangenheit einen großen Pragmatismus bewiesen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob Bose seine Position als kultiger und erfolgreicher Audio-Hersteller halten kann.

Themen Geschichte Musik
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