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In den USA

TV-Hersteller verschenkt Fernseher mit zwei Bildschirmen – was hinter dem Projekt steckt 

Der Fernseher von Telly verfügt über zwei Bildschirme und eine Soundbar.
Der Fernseher von Telly verfügt über zwei Bildschirme und eine Soundbar. Foto: Telly
Rita Deutschbein, Redaktionsleiterin TECHBOOK
Redaktionsleiterin

16.05.2023, 14:28 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Ein neuer TV-Hersteller macht in den USA derzeit von sich reden. Er hat einen Fernseher vorgestellt, der nicht nur eine Soundbar, sondern auch einen zweiten Bildschirm mitbringt. Das Besondere ist aber gar nicht das Gerät selbst, sondern die Tatsache, dass es den TV komplett kostenlos gibt. Wie kann das sein?

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Der Name des Herstellers lautet Telly. Gegründet und geleitet wird das Start-up von CEO Ilya Pozin, der auch schon Mitbegründer der werbefinanzierten Streaming-Plattform Pluto TV war. Seine Vergangenheit spielt im aktuellen Projekt durchaus eine Rolle. Denn auch der von Telly präsentierte Fernseher ist werbefinanziert und auf diese Weise komplett gratis. In den vergangenen 24 Monaten hat sich Telly bedeckt gehalten und an seinem neuen Gerät gefeilt, berichtet die amerikanische und auf Entertainment-Themen spezialisierte Medienseite „Deadline“.

Telly-TV mit zwei Bildschirmen und Soundbar

Bei dem von Telly entwickelten Smart-TV handelt es sich um das erste Dual-Screen-Modell am Markt. Der eigentliche Fernseher hat eine Bilddiagonale von 55 Zoll und unterstützt 4K sowie HDR. Unter dem Hauptdisplay istaber noch ein schmalerer und vor allem niedrigerer Bildschirm angebracht, über den sich diverse Informationen wie Sportergebnisse, Nachrichten und das Wetter anzeigen, aber auch Musik oder smarte Geräte steuern lassen. Dieser zweite Screen lässt sich auf Wunsch auch abdunkeln, wenn auf dem eigentlichen TV beispielsweise ein Film abgespielt wird.

Das Unternehmen glaubt, dass Nutzer den zweiten Screen auch dann eingeschaltet lassen, wenn der eigentliche Fernseher aus ist – um etwa auf die Steuer- und Wiedergabefunktion oder zusätzliche Daten zuzugreifen zu können. Das wäre dann auch der praktische Nebeneffekt für potenzielle Werbepartner: Die auf diesem Bildschirm angezeigte Werbung wäre dann dauerhaft sichtbar.

Verbunden sind die beiden Bildschirme durch eine Premium-Soundbar mit fünf Treibern. Für den Anschluss zusätzlicher Geräte bietet der Telly-TV außerdem drei HDMI-Ports. Zumindest der Betrieb eines TV-Sticks ist auch zwingend notwendig, da der Fernseher nicht über ein eigenes System verfügt. Tellys eigenes Android-basiertes Betriebssystem soll lediglich die Werbung und interaktiven Funktionen des Fernsehers steuern. Daher liegt dem Gerät ein 4K-Stick mit Android TV bei. Wie Pozin mitteilt, lassen sich aber auch andere TV-Sticks beispielsweise von Roku, Amazon Fire TV oder Apple TV anschließen. Der TV soll so ein Hub für tausende Apps sein, auf die Nutzer zugreifen können. Passend dazu bringt er auch eine Kamera mit, über die sich beispielsweise Videokonferenzen führen lassen.

Laut Hersteller würde der Fernseher im Geschäft um die 1000 US-Dollar kosten, Telly liefert ihn allerdings gratis an Interessenten. Was verspricht sich das Unternehmen davon und wo liegt der Haken?

Darum ist der Fernseher von Telly gratis

Das Unternehmen bietet die ersten 500.000 produzierten Exemplare seines Fernsehers gratis an. Die Auslieferung soll diesen Sommer erfolgen. Um an den kostenlosen Fernseher zu kommen, müssen sich Interessenten auf der Webseite von Telly in eine Liste eintragen. Diese steht allerdings nur Nutzern in den USA offen.

Mit dem Eintragen erster Daten wie Name, E-Mail und Telefonnummer in die Liste ist es aber nicht getan. Haben Nutzer diese Felder ausgefüllt, werden sie auf eine andere Seite weitergeleitet und aufgefordert, die Telly-App für Android oder iOS auf ihr Smartphone zu laden. Über die App muss man dann einen Account anlegen, wobei der Hersteller in diesem Zug weitere Daten abfragt. Die Fragen beinhalten auch Angaben aus dem Privatleben der Interessenten. Die Antworten wertet Telly anschließend aus und entscheidet, wer von den Bewerbern tatsächlich einen Gratis-Fernseher bekommt.

Telly-App zur Registrierung für den Gratis-Fernseher.
Möchten Nutzer sich für den Gratis-Fernseher anmelden, müssen sie die App laden und einen Account anlegen. Foto: Screenshot TECHBOOK via freetelly.com

Es wird schnell klar, worauf es Telly abgesehen hat: die Daten der Nutzer. CEO Ilya Pozin geht damit offen um und bestätigte den Fakt in einem Interview gegenüber dem amerikanischen Portal „FastCompany“. „Wir verschenken das Gerät kostenlos und das gesamte Geschäftsmodell wird durch unsere Werbe-, Daten- und Affiliate-Einnahmequellen unterstützt“, so die Aussage des Telly-Gründers. Man wisse, wo die Nutzer wohnen, welches Auto sie fahren, wo sie einkaufen und wie hoch ihr Einkommen ist – „natürlich ist alles anonymisiert“, so Pozin.

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So streng sind die Vorgaben von Telly für Nutzer

In den Nutzungsbedingungen auf der Webseite findet sich ebenfalls ein entsprechender Hinweis auf die Datenabfrage und -verarbeitung. „Sie müssen sich für ein Konto anmelden, ein Passwort und einen Benutzernamen auswählen und uns bestimmte Informationen oder Daten wie Ihre Kontaktinformationen mitteilen“, heißt es hier. Und weiter: „Sie versprechen, uns genaue, vollständige und aktuelle Registrierungsinformationen zu Ihrer Person zur Verfügung zu stellen.“

Wer sich registriert und für den Gratis-Fernseher ausgewählt wird, geht laut Telly einen Vertrag mit dem Unternehmen ein. Dieser beinhaltet, dass Nutzer den Telly-TV als primären Fernseher in ihrem Haushalt verwenden und ihn nicht vom Internet trennen. Ein Verkauf des Gerätes ist untersagt und Nutzer müssen das Unternehmen darüber hinaus über jeden Adresswechsel informieren. Sollten sie gegen diese Auflagen verstoßen, dürfen sie das Angebot von Telly nicht länger nutzen und müssen den Fernseher zurückgeben.

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Gratis-Fernseher gegen Privatsphäre

Am Ende zeichnet sich ein klares Bild ab: Den Fernseher von Telly bekommen Nutzer nicht gratis, sie bezahlen mit ihrer Privatsphäre. Denn das Gerät hört auch während der Nutzung nicht auf, Daten aufzuzeichnen. So trackt Telly über den Fernseher unter anderem, welche Sender und Programme Nutzer sich ansehen und verkauft die Daten anonymisiert an Anbieter diverser Werbe-Apps. Diese Möglichkeit haben Fernseher in Deutschland zwar auch, doch können Nutzer der Datenweitergabe jederzeit widersprechen. Diese Opt-Out-Funktion bietet Telly jedoch ausdrücklich nicht.

Immerhin sind der Handel mit den Daten und die daraus entstehenden Partnerschaften der Grund für das Unternehmen, den Fernseher gratis anbieten zu können. Mit dieser Strategie holt er die Herstellungskosten für die Hardware wieder rein. „Wir sind sehr offen und transparent“, erklärt Pozin das Vorgehen. „Jeder weiß, worauf er sich einlässt, was der Wertaustausch ist.“

Profilbild

TECHBOOK meint

„Ein kostenloser Fernseher – das klingt zunächst wie eine tolle Aktion. Das dachte ich zumindest am Anfang der Recherche. Doch je länger ich mich mit dem Projekt von Telly beschäftigt habe, desto unheimlicher wurde mir die Sache. Man macht sich komplett nackt, nur um einen Fernseher als Gegenwert zu bekommen. Der Umfang der Sammelwut von Telly macht einen fast sprachlos. Einkommen, Adresse, bevorzugte Geschäfte, Sender, Programme, die Automarke, Sportmannschaft – nahezu jede private Information verlangt Telly Nutzern ab und verkauft sie dann auch noch weiter, um die perfekte Werbung ausspielen zu können. Ich finde das alles mehr als gruselig und würde mich persönlich nie auf einen solchen Handel einlassen. In Deutschland wäre ein solches Projekt aufgrund unserer Datenschutzbestimmungen so auch gar nicht umsetzbar – zum Glück. “Rita Deutschbein, Redakteurin
Themen #MediaMarkt Fernseher Smart TV
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