9. Oktober 2018, 13:50 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Facebook verbindet Milliarden Menschen miteinander. Mit Geräten für Videotelefonie und Virtueller Realität will der Konzern seine Mitglieder noch tiefer in Kontakt bringen. Soll das die persönliche Interaktion ersetzen?
Andrew „Boz“ Bosworths Avatar hat eine Gummigiraffe in der Hand, schlägt in Richtung des Tennisballs – und verfehlt ihn. Der Mann mit Glatze und tätowierten Unterarmen ist Vizepräsident bei Facebook für Virtuelle (VR) und Erweiterte Realität (AR).
Bosworth ist seit 2006 bei Facebook und gehört zum engen Kreis um Gründer Mark Zuckerberg. Das etwas alberne Tennisspiel für das VR-Headset Oculus Quest soll verdeutlichen, wie Interaktionen zwischen Menschen in einer Digitalen Welt ablaufen können.
Verbindungen vertiefen
Denn das ist, was sich Facebook nach Aussage Bosworths mit VR und AR auf die Fahnen geschrieben hat: Die persönlichen Verbindungen zwischen Menschen zu vertiefen. „Facebook hatte recht großen Erfolg damit, Leute über das Internet und Smartphones in großer Breite zu verbinden“, sagt er. „Aber wir sehen auch einen großen Appetit darauf, eine tiefere Verbundenheit herzustellen.“
Das erkenne man an der starken Nutzung von Videotelefonie über den Facebook Messenger und WhatsApp. Und weil man das nicht mit der heutigen Technik verbessern könne, habe sich das Unternehmen entschlossen, eigene Hardware zu bauen. Die wurde nun vorgestellt: Die neuen Videotelefonie-Geräte namens Portal und Portal+ sollen zunächst nur auf dem US-Markt erscheinen. Die Geräte, die eine Kombination aus Bildschirm, Webcam und smartem Lautsprecher darstellen, verfolgen automatisch Personen im Blickfeld der Kamera und zoomen eigenständig auf deren Gesichter. Der Fokus des Bildausschnitts bleibt so stets auf den Gesprächspartnern, wenn sie sich beim Telefonieren im Raum bewegen. Kommt ein weiterer Mensch hinzu, wird er automatisch mit ins Bild gefasst.
Doch auch VR-Geräte wie die vor kurzem angekündigte Brille Oculus Quest will Faceook nutzen, um räumlich voneinander getrennte Menschen besser zu verbinden. Zwar gebe es da noch Probleme mit der Ausdrucksfähigkeit. „Aber man bekommt deutlich mehr Interaktivität“, sagt Bosworth.
Konferenz der Avatare
Ein Beispiel aus Bosworths Arbeitswelt: „Bei Facebook bekommt man nie einen Konferenzraum. Und wenn, ist er viel zu groß oder viel zu klein. Man setzt ein paar Notizen auf das Whiteboard. Dann kommt jemand anderes in den Raum, deswegen machst du ein Foto von den Notizen, das du nie wieder anschaust.“
Eine Lösung könnten hier aus seiner Sicht virtuelle Konferenzräume sein, die an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden können und sich nur durch eigenen Einfluss verändern. „Das ist dann tatsächlich besser als die echte Welt, zumindest ein bisschen“, sagt Bosworth. „Nur bei den Interaktionen ist es noch nicht besser.“ Die Avatare sähen anders aus und hörten sich anders an. Auch die Umsetzung von Mimik sei noch ein Problem. „Aber die Technologie liegt am Horizont.“ Bei der Mimik forsche man beispielsweise an Sensoren, die auf das Gesicht gerichtet sind. Außerdem lasse sich auch die Stimmlage in eine gewisse Mimik umsetzen.
Cisco arbeitet beispielsweise mit Spark VR an genau solchen virtuellen Konferenzräumen. Das Programm befindet sich aktuell noch in der Betaversion. Und auch Microsoft hat den Sinn eines sozialen Netzwerks in VR erkannt: Im vergangenen Jahr kaufte es AltspaceVR. Darin können sich Besitzer unterschiedlicher VR-Brillen treffen und miteinander interagieren. Zusammen mit dem US-Sender NBC veranstaltete die Firma beispielsweise auch eine virtuelle Party zum TV-Duell der beiden US-Präsidentschaftskandidaten im Jahr 2016.
Am Ende gewinnt Bosworth das virtuelle Tennismatch – trotz Gummigiraffe. Sein Avatar reist die Arme
zum Jubel in die Luft. „Wir werden persönliche Treffen niemals ersetzen können und wir planen auch nicht, das zu tun“, sagt er. Aber virtuelle Interaktion könne Zeit und Geld sparen – etwa weil die Kosten für Pendeln und Reisen entfallen. Nur einen Teil der persönlichen Interaktion im Virtuellen herstellen zu können, habe deshalb schon einen enormen Wert.
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Zwei Geräte für Videotelefonie
Das neue Produkt gibt es in zwei Ausführungen, die sich vor allem in der Größe des Bildschirms und den Lautsprechern unterscheiden. Portal hat ein 10-Zoll-Display mit einer Auflösung von 1280 mal 800 Pixeln sowie zwei Breitbandlautsprechern. Das größere Portal+ verfügt über einen 15 Zoll großen Full-HD-Screen (1920 x 1080 Pixel), der sich im Hoch- oder Querformat platzieren lässt. Musik und Sprache spielt Portal+ über zwei Hochtonlautsprecher sowie eine Bassbox ab. Beide Modelle verfügen über eine Kamera mit 12 Megapixeln.
Portal und Portal+ kommen im November auf den Markt – vorerst allerdings nur in den USA. Die Preise liegen bei 199 US-Dollar für Portal und 349 US-Dollar für Portal+.
TECHBOOK meint
„Die Idee mit den Videokonferenzen halte ich schon für praktisch. Warum allerdings sollte ich ein Unternehmen wie Facebook, das in der Vergangenheit so schlampig mit meinen Daten umgegangen ist, nun auch noch per Kamera in mein Wohnzimmer schauen lassen? Mein Vertrauen hat das soziale Netzwerk längst verspielt und aktuell würde mir nicht in den Sinn kommen, etwas wie Portal in meine vier Wände zu lassen “– Steven Plöger, Redaktionsleiter