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Nutzerzahlen verdoppelt

Wer steckt hinter der Twitter-Alternative Mastodon?

Mastadon und Twitter Logos auf zwei Smartphones. Mastadon wird als Twitter-Alternative von der Netzgemeinde gefeiert.
Mastodon hat viele Ähnlichkeiten mit Twitter – funktioniert aber doch ganz anders Foto: picture alliance / NurPhoto | Jonathan Raa
Lewin Hubert

08.11.2022, 12:18 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Die Twitter-Übernahme durch Elon Musk Ende Oktober 2022 hat dem Tesla-Chef einige Kritik eingebracht. Einige Nutzer scheinen sich deswegen nach einer Twitter-Alternative umgeschaut zu haben. Der dezentrale Kurznachrichtendienst Mastodon konnte seine Nutzerzahlen verdoppeln und verzeichnete über 1 Million aktive Anwender. Aber hat Mastodon das Zeug, ein Twitter-Konkurrent zu werden?

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Die Fehltritte von Elon Musk beim Kauf von Twitter reihen sich aneinander. Erst gibt es eine Zusage, den Dienst vollständig zu übernehmen – das löst ein riesiges Medienecho aus. Kurz danach eskaliert fast ein Rechtsstreit mit dem Twitter-Management. Musk will doch nicht zu den ausgehandelten Konditionen kaufen. Nun dominieren Punkte wie Redefreiheit und 8-Dollar-Abo den Twitter-Diskurs. Zumindest dem dezentralen Netzwerk Mastodon scheint dieses Chaos erhöhte Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Musks Twitter-Chaos schreckt Nutzer ab

Der neue Twitter-Chef hat vor allem ein Problem – er muss Twitter schnell profitabel machen. Um das zu erreichen, schlägt Musk vor, den blauen Haken zur Verifizierung eines Profils zukünftig für 8 US-Dollar anzubieten. Außerdem wurden nach dem Twitter-Vorstand direkt massenweise Angestellte der Plattform entlassen.

Nun sollen einige Mitarbeiter zurückkehren, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Man fragt sich, ob das ganze Geschehen zu Musk PR-Strategien gehört, um ständig im Gespräch zu bleiben. Doch für viele Twitter-Nutzer wirkten die unüberlegten Handlungen des neuen Twitter-Chefs eher abschreckend. Obwohl er sich für mehr Redefreiheit einsetzen will, reißt die Kritik an Musk Person und seinen umstrittenen Tweets nicht ab. Er löste deshalb einen Exodus von Twitter-Nutzern aus, die der Plattform den Rücken kehren wollen.

Auch interessant: Was kann die Twitter-Alternative „Threads“?

Dezentrales Netzwerk Mastodon als Alternative

Einige gingen nun zu der beliebten Twitter-Alternative Mastodon. Der junge Kurznachrichtendienst funktioniert ähnlich wie Twitter, aber eben doch ganz anders. 2016 gründete der deutsch-russische Eugen Rochko das dezentral aufgebaute Netzwerk. Anders als bei Twitter soll der Dienst nicht einfach von einem Firmenchef übernommen und umgestaltet werden können. Vielmehr verteilt sich das gemeinnützige Open-Source-Projekt auf viele verschiedene Server. Ein zentraler Zugriff oder eine generelle Abschaltung sind so nicht möglich, da Einzelpersonen, Vereine und Organisationen verschiedene Server betreiben.

Um das Projekt weiterzuentwickeln und zu finanzieren, hat Rochko die gemeinnützige Mastodon GmbH (gGmbH) gegründet. Der Quellcode steht dabei allen zur Überprüfung und selbstständigen Weiterentwicklung zur Verfügung. Damit unterscheidet sich das Mastodon-Netzwerk maßgeblich vom zentralisierten Kurznachrichtendienst Twitter, dessen Quellcode nicht frei zugänglich ist.

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Ausgelagerte Moderation bei Mastodon

Die Unterschiede in der Funktion sind bei Mastodon erst mal gering. So lassen sich wie bei Twitter Kurznachrichten, Bilder und Videos verschicken. Erlaubt sind aber 500 Zeichen anstatt der üblichen 280 Zeichen bei Twitter. Somit können längere „Toots“ verfasst werden, wie die Kurznachrichten bei Mastodon auch heißen. „Toots“ stehen damit analog zu den Tweets (dt. „Zwitschern“) für das Tröten des namensgebenden Mastodon-Mammuts.

Aber ähnlich wie bei Twitter stellt sich die Frage der Moderation der vielen Inhalte, die Nutzer täglich teilen. Denn Mastodon ging es von Anfang an darum, frei von illegalen Inhalten wie verbotenen Symbolik oder schwerwiegender Diskriminierung zu sein. Die einzelne Entscheidung, was zensiert, gelöscht oder gesperrt wird, entscheidet bei Mastodon jeder einzelne Server für sich selbst. Anders als bei zentralisierten Konkurrenten, wo eine Zensur von Hassrede oder Desinformationen nach internen Moderationsregeln festgelegt wird. Ein genereller Ausschluss von Personen durch Sperrung von Profilen im gesamten Netzwerk ist bei einer dezentralen Verteilung auf verschiedene Server fast unmöglich. Denn nach einer Sperrung eines Nutzers kann dieser einen anderen Server für seine Inhalte auswählen. Damit hat das soziale Netzwerk einer der entscheidendsten Fragen von Meinungsfreiheit und möglicher Zensur an seine Nutzer dezentral ausgelagert.

Nur ein einziger Mitarbeiter – der Gründer selbst

Da das Netzwerk nicht auf eine übergeordnete Moderation angewiesen ist, hält sich der Personalaufwand in Grenzen. So sehr, dass Gründer Rochko bislang der einzige bezahlte Mitarbeiter von Mastodon ist. In einem Interview mit „Time“ erklärt er, dass die Unterteilung in Server dem „demokratischen Prozess“ gleichkomme. Taucht etwa ein Server mit Hassrede auf, können sich andere Server zusammentun, um diesen zu blockieren.

Rochko glaubt, dass Musks US-zentrische Vorstellung von Redefreiheit auf Twitter fehlgeleitet ist. Mastodon basiert daher auf dem Prinzip der deutschen Meinungsfreiheit, bei der die Würde des Menschen aus Artikel 1 des Grundgesetzes an oberster Stelle steht. Hassrede hat seiner Meinung nach deshalb nichts auf einer Social-Media-Plattform zu suchen.

Aber wie will Mastodon sicherstellen, dass es keine Hassrede auftritt? Schließlich hat die Plattform keine übergeordneten Richtlinien – und kein Personal, das Inhalte moderieren könnte. Rochko setzt auf die Eigenmoderation der Server. In seiner Erfahrung haben viele davon striktere Regeln als Twitter. Bislang zieht die Plattform keine Gruppen an, die sonst für Hassrede offene Foren wie etwa Parler oder Truth Social benutzen. Wenn eine Gruppe jedoch einen Server für Hassrede einrichtet, können andere Server diesen stumm stellen, sodass die Inhalte in einer „Echokammer“ verhallen – aber nicht in das Netzwerk als Ganzes gelangen.

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Wie funktionieren die verschiedenen Server auf Mastodon?

Wer dem sozialen Netzwerk beitritt, entscheidet sich am Anfang für einen Server, auf dem er sein Profil speichert. Auf jedem Server gelten eigene Moderationskriterien. Der Betreiber kann eine Einzelperson sein oder auch eine Gruppe oder eine unabhängige Organisation. Mittlerweile gibt es 3550 verschiedene Server, die über Mastodon erreichbar sind. Solange die individuellen Moderationsregeln eingehalten werden, können alle Personen im Mastodon-Netzwerk die Nachrichten eines Profils sehen. Auch ein Umzug eines ganzen Profils mit den eigenen Beiträgen auf einen anderen Server ist möglich. Das kann Geschehen, ohne gleich alle Follower zu verlieren. Damit wird der Nutzer natürlich vor eigene Entscheidungen gestellt und muss sich überlegen, welchem Server er sich anschließt. Ein höheres Maß an eigener Initiative ist damit notwendig.

Für den Betrieb der einzelnen Server müssen die Inhaber selbst aufkommen. Das dezentrale Netzwerk ist deshalb auf die Mitarbeit und Spendenbereitschaft der Mitglieder angewiesen. Dafür ist Mastodon werbe- und tracking-frei, was einen erheblichen Unterschied zum Geschäftsmodell von Twitter darstellt. Viele Fragen der Unternehmensfreundlichkeit oder eine mögliche Verärgerung von Werbekunden stellen sich somit erst gar nicht. Denn obwohl Musk eine verstärkte Redefreiheit bei der Twitter-Übernahme ankündigte hat, ruderte er in einem Brief an Twitter-Werbekunden zurück und sagte: Twitter dürfe kein „Höllenloch“ werden. Zudem will er, dass Twitter „warm und einladend“ für alle bleibt. Es wird sich zeigen, wo die Redefreiheit am Ende besser aufgehoben ist. Mastodon benötigt durch seine Dezentralität zunächst mehr Eigeninitiative seiner Nutzer. Solange Twitter schwächelt, ist dieses Netzwerk zurzeit für viele eine interessante Alternative.

Quelle:

  • Mastodon: Server (aufgerufen am 07.11.22)

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