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Debut als App

Was wurde eigentlich aus dem Media-Player Winamp?

Das Programm Winamp spielt einen Song.
Ein historisches Bild: Winamp spielt einen Song von Madonna auf Windows 98 Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Michelangelo Oprandi
Natalie Wetzel, TECHBOOK
Werkstudentin

20.04.2024, 16:26 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Die Älteren werden sich erinnern: In den späten 90ern und frühen 2000ern gehörte der Audioplayer Winamp zu den Must-have-Programmen von tech-affinen Musikliebhabern. Doch was wurde aus der Kult-Software und kann sie jetzt noch ein erfolgreiches Revival hinlegen?

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Ob Apple Music, Amazon Prime Music, YouTube Music, Tidal oder Spotify – die Liste von Musik-Streaming-Anbieter ist so lang wie vielfältig. Doch während diese Dienste für viele nicht mehr wegzudenken sind, versucht sich eine totgeglaubte Legende aus der MP3-Ära an einer Auferstehung. Die Rede ist von Winamp, dem seinerseits wohl beliebtesten Audioplayer für Windows. Winamp war schon etabliert und beliebt, als iTunes noch in den Babyschühchen steckte.

Eine Legende mit vielen Gesichtern

Neben seinen Hauptaufgaben als Player und Programm zur Medienverwaltung erhielt Winamp seit 1997 immer mehr Funktionen. Mit der Freeware für Windows konnten Nutzerinnen und Nutzer unter anderem Online-Radio hören, Playlisten anlegen, ihre Mediathek auf MP3-Player wie den Walkman oder später auf den Apple iPod spielen, Songs von nicht-kopiergeschützten CDs rippen und in die Formate ACC+, AAC und WMA encodieren. Die Liste an Audioformaten, die Winamp unterstützte, ist lang.

Entwickelt wurde Winamp von Justin Frankel, Dmitry Boldyrev und Gianluca Rubinacci, die dazu die Firma Nullsoft gründeten. Das Maskottchen Mike das Lama ist mittlerweile als DJ auf Winamp tätig. Vor gut zwanzig Jahren erreichte Winamp in kürzester Zeit Kultstatus. Das Novum, das viele Fans begeisterte, waren die Plug-ins und Skins, die eine hohe Personalisierung des Programms ermöglichten. Das digitale Winamp Skin Museum gibt noch heute einen Einblick in die einstige Vielfalt.

Winamp war damals kostenlos erhältlich, jedoch gab es eine Premium-Variante für 10 US-Dollar – die allerdings keine Extra-Funktionen bot. Es handelte sich hierbei um eine Art Go-Fund-Me-Aktion. Der erste Angestellte von Winamp, Rob Lord, berichtete gegenüber Ars Technica, dass in den ersten Monaten unzählige 10-Dollar-Schecks per Post kamen und man so über 100.000 US-Dollar einnahm. Die Nutzerinnen und Nutzer waren offensichtlich der Meinung, Winamp hätte diese Finanzspritze verdient.

Mit dem Verkauf begann der Abstieg von Winamp

Im Jahr 1999 verkaufte Justin Frankel seine Erfindung an AOL, ehemals America Online, und erhielt dafür ein Aktienpaket im Wert von damals 60 Millionen US-Dollar. Von dem Tag an wurden Nutzer angehalten, die AOL-Toolbar oder andere Software zu installieren, wenn sie Winamp herunterluden. Das geschah zum Höhepunkt der Dotcom-Hypes, der aus der Euphorie um Technologie-Unternehmen entstand und wenige Jahre später zum Börsencrash führte.

Zwei Jahre später, es war der 23. Oktober 2001, stellte Apple den iPod vor – und wenig später iTunes, den dazugehörigen Marktplatz für Download-Musik. „Es gibt keinen Grund, warum Winamp nicht in der Position sein könnte, die iTunes heute hat – außer die Stufen von Management-Versagen seitens AOL seit dem Kauf von Winamp“, sagte Rob Lord schon im Jahr 2012. Nach dem Scheitern von AOL übernahm die belgische Webradioplattform Radionomy Winamp im Jahr 2014 – und mit der Software auch das Lama als Maskottchen. Für mehrere Jahre galt die Version 5.666 von Dezember 2013 als der letzte Stand von Winamp. Offizielle Updates blieben aus.

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Neue Ära, neues Glück?

Mittlerweile ist das Zeitalter der Streaming-Dienste angebrochen, vielleicht hat es seinen Höhepunkt sogar schon überschritten. Ausgerechnet in dieser Zeit wagt Winamp sein Comeback. Nachdem es Jahre lang so schien, als hätte Radionomy das Projekt Winamp final zu den Akten gelegt, tauchte im September 2018 eine Betaversion auf. Ende 2021 wurde das Revival offiziell angekündigt, 2023 fiel der Vorhang für einen neuen Winamp-Webplayer.

So gespannt, wie das Comeback erwartet wurde, so ratlos blieben einige User zurück. Denn auch wenn Winamp heute noch einige treue Fans und Nostalgiker haben dürfte, stellt man sich zurecht die Frage: Wozu braucht man Winamp noch? Das Design des Webplayers ist betont modern, erinnert an Spotify und hat nichts mehr mit dem 90er-Jahre Flair zu tun. Wer sich einen Account eingerichtet hat, erhält Zugriff auf jene Musikerinnen und Musiker, Podcasts und Webradios, die auf Winamp publizieren. Externe Musikdateien und Playlists lassen sich dagegen nicht integrieren. Auch vom hohen Personalisierungsgrad, der Winamp damals zum Kultstatus verholfen hat, ist im Webplayer nicht mehr viel zu sehen.

Die neue Winamp-App erinnert im Design stark an Spotify.
Die neue Winamp-App erinnert im Design stark an Spotify.

Seit Anfang April 2024 gibt es auch eine kostenlose App für iOS und Android, über die man lokale Mediatheken – iCloud und Google Drive inbegriffen – zugreifen und eigene Playlists einrichten kann. Außerdem gehört ein Equalizer zum Funktionsspektrum. Die Bewertungen der App durch die Nutzerinnen und Nutzer fall sehr durchwachsen aus und ballen sich tendenziell an den extremen Enden „sehr gut“ und „sehr schlecht“. Vor allem Fans der alten Windows-Versionen äußern sich oft schwer enttäuscht. Die neue App reiche nicht an das Funktionsspektrum der ursprünglichen Kult-Software heran. Das bedeutet aber auch: das Entwicklungspotenzial ist groß. Wer lieber zurück zu den Wurzeln möchte, kann sich die Windows-Version 5.9.2 herunterladen.

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